Steuerliche Abzugsmöglichkeit von Einkünften, die zur Bildung einer Altersrücklage verwendet werden

Diese Möglichkeit darf nicht allein gebietsansässigen Steuerpflichtigen vorbehalten bleiben
(C-80/94 vom 11.08.1995, Wielockx)

Der Fall:

Herr Wielockx, ein in Belgien ansässiger belgische Staatsangehöriger, übte als Partner einer Gemeinschaftspraxis den Beruf des Physiotherapeuten in Venlo (Niederlande) aus, wo er seine gesamten Einkünfte erzielte und steuerpflichtig war.
Sein bei den niederländischen Behörden gestellter Antrag, das von ihm im Jahr 1987 in den Niederlanden erzielte steuerpflichtige Einkommen um den Betrag zu vermindern, den er zur Bildung einer Altersrücklage verwendet hatte, wurde unter Hinweis auf das niederländische Recht abgelehnt. Dieser Vorteil werde nur den gebietsansässigen Steuerpflichtigen gewährt, was sich durch den Umstand rechtfertige, dass die Rentenzahlungen, die der gebietsfremde Steuerpflichtige später aus der Altersrücklage beziehe, nicht im Tätigkeitsstaat besteuert würden, sondern in dem Staat seines Wohnsitzes.

Laut Europäischem Gerichtshof erleidet der gebietsfremde Steuerpflichtige, der, wie im Fall des Herrn Wielockx, seine gesamten oder nahezu seine gesamten Einkünfte in dem Staat erzielt, in dem er seine berufliche Tätigkeit ausübt, aber nicht das Recht hat, unter denselben steuerlichen Bedingungen wie der gebietsansässige Steuerpflichtige eine Altersrücklage zu bilden, eine Diskriminierung.
Da die steuerliche Kohärenz auf der Grundlage eines mit einem anderen Mitgliedstaat geschlossenen bilateralen Abkommens (hier: Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Belgien und den Niederlanden) gewährleistet wird, kann dieser Grundsatz nicht herangezogen werden, um die Verweigerung einer Abzugsmöglichkeit, wie sie hier in Rede steht, zu rechtfertigen.

Das Urteil:

Eine von einem Mitgliedstaat erlassene Vorschrift, die es den in diesem Staat ansässigen Personen gestattet, vom steuerpflichtigen Einkommen die Gewinne aus unternehmerischer Tätigkeit abzuziehen, die sie zur Bildung einer Altersrücklage verwenden, diesen Vorteil aber steuerpflichtigen Gemeinschaftsangehörigen verweigert, die zwar in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, aber im erstgenannten Mitgliedstaat ihre gesamten oder nahezu ihre gesamten Einkünfte erzielen, kann nicht durch den Umstand gerechtfertigt werden, dass die Rentenzahlungen, die der gebietsfremde Steuerpflichtige später aus der Altersrücklage bezieht, nicht in diesem Staat besteuert werden, sondern in dem Staat seines Wohnsitzes - mit dem der erstgenannte Staat ein Doppelbesteuerungsabkommen geschlossen hat -, auch wenn es infolge der generellen Gewährung des Vorteils nicht möglich ist, innerhalb des im erstgenannten Staat geltenden Steuersystems eine genaue Übereinstimmung zwischen der Abzugsfähigkeit der Zuführungen zur Altersrücklage und der Steuerpflichtigkeit der Bezüge aus dieser Rücklage zu gewährleisten. Eine solche Diskriminierung verstößt demnach gegen Artikel 52 EG-Vertrag1.
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1 Jetzt Artikel 43 EG.