Besteuerung des Einkommens eines Gebietsfremden aus einem Praktikum

Es gibt Ausnahmen von dem Grundsatz, dass Steuervergünstigungen Gebietsansässigen vorbehalten bleiben dürfen
(C-169/03 vom 01.07.2004, Wallentin)

Der Fall:

Der deutsche Staatsangehörige Florian W. Wallentin wohnte in Deutschland, wo er studierte. Seine Eltern zahlten ihm eine monatliche Unterstützung von 650 DM, und vom deutschen Staat erhielt er ein Stipendium von monatlich 350 DM für Wohnung und laufende Kosten. Diese Beträge stellten nach deutschem Steuerrecht ihrem Wesen nach kein steuerpflichtiges Einkommen dar.
Vom 3. Bis 25. Juli 1996 war Herr Wallentin gegen Entgelt als Praktikant bei der Kirche von Schweden beschäftigt. Hierzu hielt er sich vom 1. Juli bis 20. August 1996 in Schweden auf. Die Kirche zahlte ihm ein Praktikantengehalt in Höhe von 8 724 SEK.

Herr Wallentin beantragte bei den schwedischen Finanzbehörden für diesen Betrag eine Befreiung von der Einkommensteuer. Dieser Antrag wurde mit dem Hinweis abgelehnt, dass gemäß dem schwedischen Gesetz über die besondere Einkommensteuer für im Ausland ansässige Personen, das den Fall der beschränkten Einkommensteuerpflicht regelt, auf den streitigen Betrag Einkommensteuer in Höhe von 25 % zu erheben sei. Hierbei handele es sich um eine Quellensteuer, bei der kein Abzugsrecht aufgrund der persönlichen Verhältnisse des jeweiligen Steuerpflichtigen bestehe. Jedoch sei der Satz der besonderen Einkommensteuer niedriger als derjenige der normalen Einkommensteuer, die progressiv sei und bei etwa 30 % liege.
Herr Wallentin fühlte sich diskriminiert, weil er keinen Anspruch auf einen Grundfreibetrag hatte, der sich für unbeschränkt Steuerpflichtige im fraglichen Steuerjahr auf 8 600 SEK belief.

Laut Europäischem Gerichtshof ist es in Anbetracht der objektiven Unterschiede zwischen der Situation der Gebietsansässigen und derjenigen der Gebietsfremden im Allgemeinen nicht diskriminierend, wenn ein Mitgliedstaat Gebietsfremden bestimmte Steuervergünstigungen versagt, die er Gebietsansässigen verwährt.
Etwas anderes gilt jedoch, wenn der Gebietsfremde in seinem Wohnsitzstaat keine nennenswerten Einkünfte hat und sein zu versteuerndes Einkommen im Wesentlichen aus einer Tätigkeit bezieht, die er im Beschäftigungsstaat ausübt, so dass der Wohnsitzstaat nicht in der Lage ist, ihm die Vergünstigungen zu gewähren, die sich aus der Berücksichtigung seiner persönlichen Verhältnisse und seines Familienstandes ergeben. Im Fall eines Gebietsfremden, der in einem anderen Mitgliedstaat als dem seines Wohnsitzes den wesentlichen Teil seiner Einkünfte erzielt, besteht die Diskriminierung darin, dass seine persönlichen Verhältnisse und sein Familienstand weder im Wohnsitzstaat noch im Beschäftigungsstaat berücksichtigt werden, unabhängig davon, dass für die besondere Einkommensteuer andere Steuersätze gelten als für die normale Einkommensteuer.

Eben dies ist im vorliegenden Fall, der dadurch gekennzeichnet ist, dass Herr Wallentin im entscheidenden Zeitraum in seinem Wohnsitzstaat keine steuerpflichtigen Einkünfte hatte, gegeben, da die monatlichen Unterhaltszahlungen seiner Eltern und das Stipendium, das er vom deutschen Staat erhielt, nach dem Steuerecht dieses Staates kein steuerpflichtiges Einkommen darstellten.

Das Urteil:

Artikel 39 EG steht den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats entgegen, wonach natürliche Personen, die steuerlich als nicht im Inland wohnend angesehen werden, die dort aber Einkünfte aus Arbeit beziehen,
- einer Quellensteuer unterliegen, die keinen Grundfreibetrag oder andere durch die persönlichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen bedingte Abzüge vorsieht,
- während im Inland ansässige Personen bei der normalen Veranlagung zur Einkommensteuer bezüglich sämtlicher in diesem Mitgliedstaat und im Ausland erzielten Einkünfte Anspruch auf einen solchen Freibetrag haben oder zu solchen Abzügen berechtigt sind,
- wenn im Besteuerungsstaat gebietsfremde Personen in ihrem eigenen Wohnsitzstaat nur über Ressourcen verfügt haben, die ihrem Wesen nach nicht der Einkommensteuer unterliegen.