Übernahme der Rentenversicherungsbeiträge für häusliche Krankenpflege

Wohnsitzerfordernis ist unzulässig
(C-502/01 und C-31/02 vom 08.07.2004, Gaumain-Cerri und Barth)

Der Fall:

Frau Gaumain-Cerri, eine deutsche Staatsangehörige, und ihr Ehemann, der französischer Staatsangehöriger ist, wohnen in Frankreich und arbeiten als Grenzgänger in Teilzeitbeschäftigung bei einem in Deutschland ansässigen Unternehmen. Aus diesem Grund sind sie in Deutschland pflegeversichert. Ihr Sohn, der mit ihnen zusammenwohnt, ist behindert und erhält als anspruchsberechtigter Angehöriger seiner Eltern Leistungen der Pflegeversicherung, insbesondere Pflegegeld. Die Eltern nehmen selbst zu Hause ehrenamtlich die Aufgabe eines einen Pflegebedürftigen pflegenden Dritten wahr. Die Pflegekasse bei der kaufmännischen Krankenkasse, die in dieser Rechtssache der das Risiko der Pflegebedürftigkeit versichernde Träger ist, weigerte sich, die Rentenversicherungsbeiträge von Frau Gaumain-Cerri und ihrem Ehemann aufgrund von deren Pflegetätigkeit für eine pflegebedürftige Person zu tragen, weil sie nicht in Deutschland wohnten. Aus den einschlägigen Bestimmungen des Sozialgesetzbuchs ergebe sich, dass sie, da sie diese Tätigkeit nicht erwerbsmäßig ausübten und keinen Wohnsitz in Deutschland hätten, weder versicherungspflichtig seien noch einen Anspruch auf die gesetzliche Rentenversicherung hätten.

Frau Barth, ebenfalls deutsche Staatsangehörige, wohnt in Belgien in der Nähe der deutschen Grenze und pflegt in Deutschland einen Beamten im Ruhestand. Von diesem erhält sie ein monatliches Entgelt in Höhe von etwa 400 €. Nach den einschlägigen Bestimmungen des Sozialgesetzbuches gilt die Pflegetätigkeit von Frau Barth ebenfalls als nicht erwerbsmäßige Tätigkeit. Frau Barth steht in keinem sonstigen Beschäftigungsverhältnis. Die pflegebedürftige Person, die sie betreut, erhält Leistungen der Pflegeversicherung von zwei Stellen, dem Landesamt für Besoldung und Versorgung Nordrhein-Westfalen als dem Basis-sozialversicherungsträger der Beamten im Ruhestand und der PAX Familienfürsorge Krankenversicherung (im Folgenden: PAX) als Träger einer zusätzlichen Versicherung aufgrund eines privaten Vertrages, dessen Abschluss obligatorisch ist und der kraft Gesetzes Bedingungen unterliegt, die den für den Basisversicherungsträger geltenden entsprechen. Aus ähnlichen, auf ihrem Wohnsitz außerhalb Deutschlands beruhenden Gründen wie bei Frau Gaumain-Cerri veranlasste die Landesversicherungsanstalt Rheinprovinz, dass die Zahlung der Beiträge, die Frau Barth den Erwerb von Rentenanwartschaften ermöglichen würden, eingestellt wurde; diese Zahlungen waren bis dahin von der PAX und dem Landesamt geleistet worden.

Laut Europäischem Gerichtshof ist die Tragung der Rentenversicherungsbeiträge des Dritten, der einen Pflegebedürftigen betreut, welcher in Frankreich wohnt und Familienangehöriger eines in der deutschen Pflegeversicherung versicherten Arbeitnehmers ist, vom zuständigen deutschen Träger nach den deutschen Rechtsvorschriften über die Pflegeversicherung so sicherzustellen, wie wenn der Pflegebedürftige in Deutschland wohnte, es sei denn - was aber vorliegend nicht der Fall ist -, dieser hat nach den französischen Rechtsvorschriften Anspruch auf eine gleichwertige Leistung.

In einem Fall wie dem des von Frau Barth betreuten Pflegebedürftigen sind unstreitig die Rechtsvorschriften des zuständigen Staates anwendbar, im vorliegenden Fall diejenigen Deutschlands, wo dieser Pflegebedürftige seinen Wohnsitz hat.

Aufgrund der Unionsbürgerschaft der in den vorliegenden Fällen pflegenden Personen dürfen die jeweilig zuständigen deutschen Träger die Zahlung der Rentenversicherungsbeiträge für diese Personen auch nicht deshalb verweigern, weil jene nicht in Deutschland wohnen.

Das Urteil:

1. Eine Leistung wie die Tragung der Rentenversicherungsbeiträge des Dritten, der unter den Umständen der Ausgangsverfahren für einen Pflegebedürftigen Leistungen der häuslichen Pflege erbringt, durch den Träger der Pflegeversicherung stellt eine Leistung bei Krankheit zugunsten des Pflegebedürftigen dar, die von der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in der durch die Verordnung (EG) Nr. 118/97 des Rates vom 2. Dezember 1996 geänderten und aktualisierten Fassung erfasst wird.

2. Was Leistungen wie die der deutschen Pflegeversicherung angeht, die unter den Umständen der Ausgangsverfahren einem Versicherten mit Wohnsitz im Gebiet des zuständigen Staates oder einer Person mit Wohnsitz im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats, die als Familienangehöriger eines Arbeitnehmers dieser Versicherung angeschlossen ist, erbracht werden, stehen der Vertrag, insbesondere Artikel 17 EG, und die Verordnung Nr. 1408/71 in der durch die Verordnung Nr. 118/97 geänderten und aktualisierten Fassung dem entgegen, dass die Tragung der Rentenversicherungsbeiträge eines Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats, der die Aufgabe des pflegenden Dritten gegenüber dem durch diese Leistungen Begünstigten wahrnimmt, vom zuständigen Träger mit der Begründung verweigert wird, dass dieser Dritte oder der Begünstigte in einem anderen als dem zuständigen Staat wohnt.

Originaltext des Urteils:

Urteil des Europäischen Gerichtshofes in den Rechtssachen C-502/01 und C-31/02: Gaumain-Cerri und Barth