Anspruch auf einen Zuschlag zu den Leistungen für Waisen von Wanderarbeitnehmern

Bei der Berechnung des Zuschlags dürfen alle Unterhaltsleistungen des Wohnsitzstaates berücksichtigt werden
(C-188/90 vom 19.03.1992, Doriguzzi-Zordanin)

Der Fall:

Mario und Marzio Doriguzzi-Zordanin waren die minderjährigen Kinder des im August 1983 verstorbenen Arbeitnehmers Giancarlo Doriguzzi-Zordanin, der sowohl in der Bundesrepublik Deutschland als auch in Italien Versicherungszeiten zurückgelegt hatte. Sie haben ihren Wohnsitz stets in Italien gehabt.
Seit September 1983 zahlte ein italienischer Träger den Kindern aufgrund der von ihrem verstorbenen Vater in Italien zurückgelegten Versicherungszeiten eine Waisenrente. Diese Leistungen betrugen monatlich zwischen 59 710 und 73 960 LIT je Kind zuzüglich Familienzulagen in Höhe eines Festbetrags von monatlich 19 760 LIT je Kind.
Die Landesversicherungsanstalt Schwaben gewährte den Kindern zusätzlich einen Zuschlag. Dieser entsprach dem Unterschiedsbetrag zwischen der theoretisch aufgrund der in Deutschland zurückgelegten Versicherungszeiten vom zuständigen Träger in diesem Staat zu zahlenden Waisenrente und dem Gesamtbetrag der in Italien gewährten Leistungen einschließlich der Familienzulage.
Die Brüder Zordanin vertraten jedoch die Auffassung, dass die von dem italienischen Träger gewährte Familienzulage nicht Teil der Waisenrente, sondern eine eigenständige Leistung sei und machten geltend, diese Familienzulage dürfe bei der Berechnung des von der Landesversicherungsanstalt Schwaben gezahlten Zuschlags nicht berücksichtigt werden.

Laut Europäischem Gerichtshof hat eine Waise dann, wenn der Betrag der im Mitgliedstaat des Wohnsitzes tatsächlich gezahlten Leistungen niedriger ist als der Betrag der allein nach dem Recht eines anderen Mitgliedstaats vorgesehenen Leistungen, gegen den zuständigen Träger des letztgenannten Staates Anspruch auf einen Zuschlag zu den Leistungen in Höhe des Unterschieds zwischen beiden Beträgen. Einer Waise eines Wanderarbeitnehmers darf der Anspruch auf höhere Leistungen, der ihr nach dem Recht eines anderen Mitgliedstaats als desjenigen zusteht, in dem sie wohnt, nicht entzogen werden. Allerdings dürfen ihr keine höheren Ansprüche als diejenigen gewährt werden, die ihr nach dem Recht dieses anderen Mitgliedstaats zustünden, wenn sie dort wohnte. Dies kann nur erreicht werden, wenn der Träger des letztgenannten Mitgliedstaats auf die von ihm zu erbringenden Leistungen alle Leistungen anrechnen darf, die im Mitgliedstaat des Wohnsitzes für den Unterhalt der Waise gewährt werden, unabhängig von ihrer Art oder ihrer Bezeichnung.

Das Urteil:

Artikel 78 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/ 71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in der durch die Verordnung (EWG) Nr. 2001/ 83 des Rates vom 2. Juni 1983 (ABl. L 230, S. 6) kodifizierten Fassung ist dahin auszulegen, dass für die Berechnung des Anspruchs auf den Zuschlag, der zu zahlen ist, wenn der im Mitgliedstaat des Wohnsitzes tatsächlich bezogene Betrag der Leistungen niedriger ist als der Betrag, auf den die Waise nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats Anspruch hätte, der Gesamtbetrag der in den betroffenen Mitgliedstaaten für die Waise bestimmten Leistungen berücksichtigt werden muss, soweit es sich dabei um Leistungen handelt, die unter die Definition des Artikels 78 Absatz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/ 71 fallen.

Originaltext des Urteils:

Urteil des Europäischen Gerichtshofes in der Rechtssache C-188/90: Doriguzzi-Zordanin