Gewährung einer Unterhaltsbeihilfe für Behinderte

Kann davon abhängig gemacht werden, dass der Empfänger im Staat des zuständigen Trägers wohnt
(C - 20/96 vom 04.11.1997, Snares)

Der Fall:

Der britische Staatsangehörige Kelvin Albert Snares, der 25 Jahre im Vereinigten Königreich als Arbeitnehmer beschäftigt gewesen war, erlitt im April 1993 einen schweren Unfall, der seine Bewegungsfähigkeit erheblich einschränkte. Auf Antrag erhielt er daraufhin ab dem 1. September 1993 eine Unterhaltsbeihilfe für Behinderte. Als er im November 1993 beschloss, sich auf Teneriffa (Spanien) niederzulassen, entschieden die britischen Behörden, dass Herr Snares aufgrund der Verlegung seines Wohnorts sowohl nach britischem als auch nach Gemeinschaftsrecht keinen Anspruch mehr auf die Unterhaltsbeihilfe habe.

Laut Europäischem Gerichtshof unterliegt eine derartige Leistung den gemeinschaftsrechtlichen Koordinierungsregeln, die die Exportierbarkeit bestimmter Leistungen der sozialen Sicherheit ausschließen. Die Gewährung von eng an das soziale Umfeld gebundenen Leistungen, wie die Unterhaltsbeihilfe für Behinderte, darf davon abhängig gemacht werden, dass der Empfänger im Staat des zuständigen Trägers wohnt.

Das Urteil:

1. Artikel 10a der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in der durch die Verordnung (EWG) Nr. 2001/83 des Rates vom 2. Juni 1983 geänderten und aktualisierten Fassung, geändert durch die Verordnung (EWG) Nr. 1247/92 des Rates vom 30. April 1992, in Verbindung mit Anhang IIa ist dahin auszulegen, dass die Disability Living Allowance in seinen Geltungsbereich fällt und folglich eine beitragsunabhängige Sonderleistung im Sinne von Artikel 4 Absatz 2a der Verordnung darstellt, so dass auf den Fall einer Person, die -- wie der Kläger des Ausgangsverfahrens -- nach dem 1. Juni 1992, dem Tag des Inkrafttretens der Verordnung Nr. 1247/92, die Voraussetzungen für die Gewährung dieser Leistung erfüllt, ausschließlich die durch Artikel 10a geschaffene Koordinierungsregelung anzuwenden ist.

2. Die Prüfung der Verordnung Nr. 1247/92, soweit diese hinsichtlich der Disability Living Allowance die Anwendung des in Artikel 10 der Verordnung Nr. 1408/71 vorgesehenen Grundsatzes der Aufhebung der Wohnortklauseln ausschließt, hat nichts ergeben, was ihre Gültigkeit in Frage stellen könnte.

Die Pressemitteilung:

Urteil des Gerichtshofes in der Rechtssache C-20/96: Kelvin Albert Snares gegen Adjudication Officer

Pressemitteilung des Europäischen Gerichtshofes Nr. 73/93 vom 4. November 1997

Eine Unterhaltsbeihilfe, die einem Behinderten im Vereinigten Königreich gewährt wird, kann ihm in Spanien nicht gezahlt werden.

Das System der sozialen Sicherheit für Arbeitnehmer, die in den Mitgliedstaaten zu- und abwandern, enthält eine Koordinierungsregelung, nach der die Empfänger bestimmter nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats vorgesehener beitragsunabhängiger Sonderleistungen nur dann Anspruch auf die Leistungen haben, wenn sie im Gebiet dieses Mitgliedstaats wohnen.

Im Anschluss an einen schweren Unfall, der seine Bewegungsfähigkeit erheblich einschränkte, beantragte der Kläger, ein Arbeitnehmer britischer Staatsangehörigkeit, die Gewährung der „Disability Living Allowance" (Unterhaltsbeihilfe für Behinderte). Er erhielt diese Beihilfe ab dem 1. September 1993. Im November 1993 beschloss er, sich auf Teneriffa (Spanien) niederzulassen, damit sich seine dort lebende Mutter um ihn kümmern kann.

Daraufhin entschieden die britischen Behörden, dass er aufgrund der Verlegung seines Wohnorts nach Teneriffa sowohl nach britischem als auch nach Gemeinschaftsrecht keinen Anspruch auf die „Disability Living Allowance" mehr habe.

In Beantwortung von Fragen des Social Security Commissioner nach der Auslegung und der Gültigkeit der Gemeinschaftsverordnung stellt der Gerichtshof fest, dass bei einer derartigen Leistung davon auszugehen sei, dass sie ausschließlich den gemeinschaftsrechtlichen Koordinierungsregeln unterliege, die die Exportierbarkeit bestimmter Leistungen der sozialen Sicherheit ausschlössen. Folglich könne der Kläger, der die Voraussetzungen für die Gewährung der Beihilfe erfülle, diese nicht exportieren, da sie ausschließlich der vorgesehenen Koordinierungsregelung unterliege.

Zur Gültigkeit der fraglichen Bestimmung führt der Gerichtshof aus, wenn eine Person in der Lage des Klägers unter Umständen nicht die Voraussetzungen erfülle, von denen der Staat ihres neuen Wohnorts die Gewährung der Invaliditätsbeihilfe abhängig mache, oder wenn sie dort eine geringere Beihilfe erhalte als zuvor in einem anderen Mitgliedstaat, könne dies nicht zur Ungültigkeit der geschaffenen Regelung führen.

Die Mitgliedstaaten seien nämlich mangels einer Harmonisierung im Bereich der sozialen Sicherheit nach wie vor für die Festlegung der Voraussetzungen für die Gewährung sozialer Leistungen zuständig und könnten diese auch verschärfen; die aufgestellten Voraussetzungen dürften jedoch keine offene oder versteckte Diskriminierung von Arbeitnehmern der Gemeinschaft bewirken. Die Prüfung der streitigen Verordnung habe somit nichts ergeben, was ihre Gültigkeit in Frage stellen könnte.

Originaltext des Urteils:

Urteil des Europäischen Gerichtshofes in der Rechtssache C-20/96:
Kelvin Albert Snares / Adjudication Officer