Familienrente für Arbeitnehmer

Erhält der Ehegatte auch eine Rente, ist es zulässig, wenn nur noch eine Alleinstehendenrente gewährt wird
(C-165/91 vom 05.10.1994, Van Munster)

Der Fall:

Die Rechtssache Van Munster betraf Art. 10 Absatz 1 der belgischen Königlichen Verordnung Nr. 50 vom 24. Oktober 1967. Nach dieser Bestimmung wird einem Arbeitnehmer eine Familienrente gewährt, wenn sein Ehegatte nicht mehr erwerbstätig ist und keine Altersrente oder an deren Stelle getretene Vergünstigung erhält. Erhält der Ehegatte des Arbeitnehmers jedoch eine Altersrente oder eine an deren Stelle getretene Vergünstigung, hat der Arbeitnehmer nur Anspruch auf eine Alleinstehendenrente.
Herr Van Munster war sowohl in den Niederlanden als auch in Belgien als Arbeitnehmer beschäftigt. Seine Ehefrau war niemals erwerbstätig. Nach einer Änderung der niederländischen Rechtsvorschriften galt die Regelung, dass jedem Ehegatten beim Erreichen des Rentenalters eine Rente in gleicher Höhe gewährt wird, wenn der Betreffende in den Niederlanden gewohnt hat. Diese Rente hing jedoch nicht davon ab, dass der Betreffende dort berufstätig war. Frau Van Munster erhielt daher mit Vollendung des 65. Lebensjahres eine eigenständige niederländische Altersrente. Entsprechend wurde die Rente von Herrn Van Munster von dem niederländischen Versicherungsträger um den ihm bis dahin gewährten Zuschlag gekürzt.

Laut Europäischem Gerichtshof sind die genannten belgischen Rechtsvorschriften mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar. Sie gelten unterschiedslos für Inländer und Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten und können daher für sich allein nicht als Beschränkung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer angesehen werden.

Das Urteil:

1. Das Gemeinschaftsrecht, insbesondere die Artikel 481 und 512 EWG-Vertrag und Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie 79/ 7/ EWG des Rates vom 19. Dezember 1978 zur schrittweisen Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit, steht nationalen Rechtsvorschriften nicht entgegen, die dem Arbeitnehmer, dessen Ehegatte nicht mehr erwerbstätig ist und keine Altersrente oder an deren Stelle getretene Vergünstigung erhält, eine "Familienrente" zuerkennen, ihm aber eine ungünstigere "Alleinstehendenrente" zuerkennen, wenn sein Ehegatte eine Altersrente oder an deren Stelle getretene Vergünstigung, wie die Frau van Munster nach der Algemene Ouderdomswet gewährte Rente, erhält.

2. Das nationale Gericht, das im Hinblick auf die Anwendung einer Vorschrift seines nationalen Rechts eine Leistung der sozialen Sicherheit qualifiziert, die nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats gewährt wird, hat seine eigenen Rechtsvorschriften unter Berücksichtigung der Ziele der Artikel 48 bis 51 EWG-Vertrag auszulegen und soweit wie möglich zu verhindern, dass seine Auslegung geeignet ist, den Wanderarbeitnehmer davon abzuhalten, von seinem Recht auf Freizügigkeit tatsächlich Gebrauch zu machen.
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1 Jetzt Artikel 39 EG.
2 Jetzt Artikel 42 EG.

Originaltext des Urteils:

Urteil des Europäischen Gerichtshofes in der Rechtssache C-165/91: Van Munster