Gleichstellung von Invaliditätszeiten mit Beschäftigungszeiten bei der Berechnung einer Altersrente

Die Gleichstellung muss unabhängig davon erfolgen, in welchem Mitgliedstaat der Arbeitnehmer bei Invaliditätseintritt beschäftigt war
(C-45/92 und C-46/92 vom 09.12.1993, Lepore und Scamuffa)

Der Fall:

Die italienischen Staatsangehörigen Herr Lepore und Herr Scamuffa arbeiteten in Belgien von 1951 bis 1954 und von 1951 bis 1959.

Herr Lepore, der außerdem in Italien, Deutschland und Luxemburg arbeitete, ist 1986 wegen Invalidität arbeitsunfähig geworden, während er als Arbeitnehmer in Luxemburg beschäftigt war. Seither erhielt er luxemburgische und deutsche Leistungen bei Invalidität, die in Leistungen bei Alter umgewandelt wurden. Außerdem erhält er seit dem 1. Februar 1985 eine italienische Altersrente, und er erhielt seit Juni 1987 eine anteilige belgische Invaliditätsrente, die 1990 in eine Altersrente umgewandelt wurde.

Herr Scamuffa wurde 1978 arbeitsunfähig, während er als Arbeitnehmer in Italien beschäftigt war. Seither bezieht er italienische Leistungen bei Invalidität, und seit 1980 bezog er außerdem eine anteilige belgische Invaliditätsrente, die 1990 in eine Altersrente umgewandelt wurde.

Bei der Berechnung der belgischen Altersrente wurde Herrn Lepore und Herrn Scamuffa die in den belgischen Rechtsvorschriften vorgesehene Gleichstellung von Invaliditätszeiten mit Beschäftigungszeiten allein deswegen versagt, weil sie zum Zeitpunkt des Eintritts der Arbeitsunfähigkeit nicht in Belgien, sondern in anderen Mitgliedstaaten Arbeitnehmer waren.

Laut Europäischem Gerichtshof ist die Aussicht für einen Arbeitnehmer, in einem Mitgliedstaat das Recht auf Gleichstellung von Invaliditätszeiten mit Versicherungszeiten zu verlieren, wenn er eine Arbeit in einem anderen Mitgliedstaat aufnimmt, geeignet, diesen Arbeitnehmer von der Ausübung seines Rechts auf Freizügigkeit abzuhalten. Die Erfordernisse der Freizügigkeit verlangen es daher, dass die betreffenden Invaliditätszeiten bei der Berechnung der Altersrenten von Herrn Lepore und Herrn Scamuffa Versicherungszeiten gleichgestellt werden.
Für die Berechnung des jeweiligen Leistungsbetrages gelten die Vorschriften des Artikels 15 Absatz Buchstaben c und d der Verordnung (EWG) Nr. 574/72.
Weiterhin entschied der Europäische Gerichtshof, dass es zulässig ist, wenn die Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats, die für die Berechnung einer Altersrente bezüglich der den Beschäftigungszeiten gleichgestellten Zeiten ein fiktives Tagesentgelt festlegen, auf dieses den gleichen Anteil anwenden, wie er bei der Berechnung der zuvor gewährten Invaliditätsrente zugrunde gelegt wurde.

Das Urteil:

1. Es verstößt gegen das Gemeinschaftsrecht, wenn einem Wanderarbeitnehmer bei der Berechnung seiner Altersrente die in den nationalen Rechtsvorschriften vorgesehene Gleichstellung von Invaliditätszeiten mit Beschäftigungszeiten allein deswegen versagt wird, weil er zum Zeitpunkt des Eintritts der Arbeitsunfähigkeit nicht in dem betreffenden, sondern in einem anderen Mitgliedstaat Arbeitnehmer war.

2. Bei der Berechnung des Betrages einer Leistung bei Alter nach Artikel 46 Absatz 1 UnterAbsatz 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/ 71 des Rates vom 14. Juni 1971 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, ist Artikel 15 Absatz 1 Buchstaben c und d der Verordnung (EWG) Nr. 574/ 72 des Rates vom 21. März 1972 über die Durchführung der Verordnung (EWG) Nr. 1408/ 71 anzuwenden. Das nationale Gericht hat hierbei zu prüfen, ob die Zeiten der Zahlung von Invaliditätsrenten in anderen Mitgliedstaaten nach den Rechtsvorschriften dieser Staaten als Versicherungszeiten oder diesen gleichgestellte Zeiten zu betrachten sind.

3. Es verstößt nicht gegen das Gemeinschaftsrecht, wenn die Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats, die für die Berechnung einer Altersrente bezüglich der den Beschäftigungszeiten gleichgestellten Zeiten ein fiktives Tagesentgelt festlegen, auf dieses den gleichen Anteil anwenden, wie er bei der Berechnung der zuvor gewährten Invaliditätsrente zugrunde gelegt wurde.

Originaltext des Urteils

Urteil des Europäischen Gerichtshofes in den Rechtssachen C-45/92 und C-46/92: Lepore und Scamuffa