Mit Schwangerschaften zusammenhängende Krankheiten

Dürfen unter gleichen Voraussetzungen wie andere Krankheiten zur Kürzung der Vergütung führen
(C-191/03 vom 08.09.2005, McKenna)

Der Fall:

Frau Margaret McKenna, die im irischen öffentlichen Dienst bei dem North Western Health Board (im Folgenden: Board) beschäftigt ist, wurde im Januar 2001 schwanger. Auf ärztliches Anraten war sie wegen eines mit ihrer Schwangerschaft zusammenhängenden Zustands fast während der gesamten Dauer ihrer Schwangerschaft im Krankheitsurlaub.
Im Rahmen der Regelung des Board über Krankheitsurlaub haben seine Bediensteten in einem Zeitraum von jeweils vier Jahren Anspruch auf 365 Tage Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. In einem Zeitraum von jeweils zwölf Monaten wird höchstens für 183 Tage Arbeitsunfähigkeit das volle Arbeitsentgelt weitergezahlt. Für zusätzliche Krankheitsurlaubstage, die innerhalb desselben Zeitraums von zwölf Monaten genommen werden, wird nur das halbe Arbeitsentgelt gezahlt, sofern die für den bezahlten Urlaub geltende Höchstgrenze von 365 Tagen innerhalb von vier Jahren nicht überschritten wird. Diese Regelung unterscheidet nicht zwischen krankhaften Zuständen, die mit einer Schwangerschaft zusammenhängen, und davon abhängigen Krankheiten. Arbeitsunfähigkeit aufgrund eines mit einer Schwangerschaft zusammenhängenden krankhaften Zustands wird danach dem aufgrund einer sonstigen Krankheit gewährten Krankheitsurlaub gleichgestellt; die Allgemeinen Bedingungen der Regelung sehen nämlich vor, dass „jede Arbeitsunfähigkeit, die auf einen mit der Schwangerschaft zusammenhängenden krankhaften Zustand zurückzuführen ist, der vor den 14 Wochen des Mutterschaftsurlaubs eingetreten ist, als in den Anwendungsbereich der Regelung des Board über Krankheitsurlaub fallend anzusehen ist".
In Anwendung dieser Bestimmungen galt der Anspruch von Frau McKenna auf eine vollständige Vergütung am 6. Juli 2000 als erschöpft. Sie erhielt daher von diesem Zeitpunkt an bis zum 3. September 2000, dem Beginn ihres Mutterschaftsurlaubs, der bis zum 11. Dezember 2000 dauerte, nur noch die Hälfte ihrer Vergütung. Während ihres Mutterschaftsurlaubs erhielt Frau McKenna entsprechend den vom Ministerium für Gesundheit und Kinder auf die Health Boards angewandten Vorschriften ihre volle Vergütung.
Am Ende ihres Mutterschaftsurlaubs war sie aus medizinischen Gründen weiterhin arbeitsunfähig. Nach der Regelung über Krankheitsurlaub wurde ihre Vergütung erneut um die Hälfte gekürzt. Frau McKenna griff die Anwendung der Regelung über Krankheitsurlaub auf ihre Situation an und. machte geltend, sie sei diskriminiert worden, da ihr mit ihrer Schwangerschaft zusammenhängender krankhafter Zustand einer Krankheit gleichgestellt worden sei und ihre Fehltage auf die Gesamtdauer des Krankheitsurlaubs, auf den sie Anspruch gehabt habe, angerechnet worden seien. Außerdem machte sie geltend, dass die Kürzung ihrer Vergütung um die Hälfte nach Ablauf der 183 Tage, in denen sie Anspruch auf eine volle Vergütung gehabt habe, eine Benachteiligung bei der Vergütung darstelle.

Laut Europäischem Gerichtshof fallen pathologische Zustände, die erst nach Ablauf des Mutterschaftsurlaub auftreten und auf die Schwangerschaft oder die Entbindung zurückzuführen sind, unter die allgemeine Regelung für Krankheitsfälle. Daher stelle die Gleichbehandlung von nach dem Mutterschaftsurlaub eingetretenen Fehlzeiten einer Arbeitnehmerin, die durch Arbeitsunfähigkeit infolge solcher Gesundheitsstörungen bedingt sind, mit Fehlzeiten eines ebenso lange arbeitsunfähigen männlichen Arbeitnehmers keine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts dar. Somit könne also ein mit der Schwangerschaft oder der Entbindung zusammenhängender pathologischer Zustand, der nach dem Mutterschaftsurlaub aufgetreten sei, unter den gleichen Voraussetzungen wie eine andere Krankheit zu einer Kürzung der Vergütung führen. Nach der Regelung, dass krankheitsbedingte Fehlzeiten auf die Gesamtzahl bezahlter Krankheitsurlaubstage angerechnet werden, die ein Arbeitnehmer innerhalb eines bestimmten Zeitraums beanspruchen kann, würden alle Krankheiten, unabhängig davon, ob sie mit einer Schwangerschaft zusammenhängen oder nicht, gleich behandelt. Damit berücksichtige eine solche Regelung zwar nicht die Besonderheiten von mit der Schwangerschaft zusammenhängenden Krankheiten, jedoch schließe diese Besonderheit nicht aus, dass Fehlzeiten wegen einer mit einer Schwangerschaft zusammenhängenden Krankheit innerhalb bestimmter Grenzen auf die Gesamtzahl bezahlter Krankheitsurlaubstage angerechnet werden. Denn mit der Möglichkeit, die Vergütung während der Schwangerschaft zu kürzen, wäre es nicht vereinbar, eine solche Anrechnung unter allen Umständen auszuschließen. Dies dürfe jedoch nicht dazu führen, dass Arbeitnehmerinnen Leistungen unterhalb des Minimums erhalten, das sie während der Schwangerschaft aufgetretenen Krankheit beanspruchen konnte.

Das Urteil:

1. Eine Regelung über Krankheitsurlaub, nach der weibliche Arbeitnehmer, die an einer mit einer Schwangerschaft zusammenhängenden Krankheit leiden, und andere Arbeitnehmer, die von einer davon unabhängigen Krankheit betroffen sind, gleich behandelt werden, fällt in den Anwendungsbereich des Artikels 141 EG und der Richtlinie 75/117/EWG des Rates vom 10. Februar 1975 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen.

2. Artikel 141 EG und die Richtlinie 75/117 sind dahin auszulegen, dass folgende Regelungen keine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts darstellen:

- eine Vorschrift einer Regelung über Krankheitsurlaub, die für weibliche Arbeitnehmer, die vor einem Mutterschaftsurlaub wegen einer mit ihrer Schwangerschaft zusammenhängenden Krankheit fehlen, ebenso wie für männliche Arbeitnehmer, die infolge irgendeiner anderen Krankheit fehlen, eine Kürzung der Vergütung vorsieht, wenn die Fehlzeit eine bestimmte Dauer überschreitet, sofern die Arbeitnehmerin zum einen genauso wie ein krankheitsbedingt fehlender männlicher Arbeitnehmer behandelt wird und zum anderen die gezahlten Leistungen nicht so niedrig sind, dass dadurch das Ziel des Schutzes schwangerer Arbeitnehmerinnen gefährdet würde;

- eine Vorschrift einer Regelung über Krankheitsurlaub, die vorsieht, dass krankheitsbedingte Fehlzeiten unabhängig davon, ob die Krankheit mit einer Schwangerschaft zusammenhängt oder nicht, auf die Gesamtzahl bezahlter Krankheitsurlaubstage angerechnet werden, die ein Arbeitnehmer innerhalb eines bestimmten Zeitraums höchstens beanspruchen kann, sofern die Anrechnung von Fehlzeiten wegen einer mit einer Schwangerschaft zusammenhängenden Krankheit nicht dazu führt, dass die Arbeitnehmerin während der von der Anrechnung betroffenen Fehlzeit nach dem Ende des Mutterschaftsurlaubs Leistungen unterhalb jenes Minimums erhält, das sie während der zur Zeit ihrer Schwangerschaft aufgetretenen Krankheit beanspruchen konnte.

Originaltext des Urteils:

Urteil des Europäischen Gerichtshofes in der Rechtssache C-191/03: McKenna