Ausschluss der Teilzeitbeschäftigten von der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall

Sind wesentlich mehr Frauen als Männer betroffen, steht ein derartiger Ausschluss grds. im Widerspruch zum Gemeinschaftsrecht
(C-171/88 vom 13.07.1989, Rinner-Kühn)

Der Fall:

Frau Rinner-Kühn arbeitete regelmäßig zehn Stunden wöchentlich für die FWW Spezial-Gebäudereinigung GmbH & Co. KG.
Ihre Arbeitgeberin lehnte die Fortzahlung des Arbeitsentgelts für eine achtstündige krankheitsbedingte Abwesenheit Frau Rinner-Kühns von ihrem Arbeitsplatz mit der Begründung ab, dass nach der einschlägigen deutschen Regelung nur diejenigen Arbeitnehmer im Krankheitsfall Anspruch auf Lohnfortzahlung durch den Arbeitgeber hätten, in deren Arbeitsverhältnis die regelmäßige Arbeitszeit wöchentlich 10 oder monatlich 45 Arbeitsstunden überschreite.

Da sich ergab, dass prozentual erheblich weniger Frauen als Männer die wöchentliche oder monatliche Mindestzahl der Arbeitsstunden leisteten, die Voraussetzung für den Anspruch auf Lohnfortzahlung bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit war, entschied der Europäische Gerichtshof, dass die genannte deutsche Lohnfortzahlungsregelung die weiblichen gegenüber den männlichen Arbeitnehmern diskriminiert und im Widerspruch zum Grundsatz des gleichen Entgelts für Männer und Frauen steht.
Zwar könne eine derartige Regelung zulässig sein, wenn der betreffende Mitgliedstaat darlege, dass sie durch objektive Faktoren, die nichts mit einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zu tun haben, gerechtfertigt ist, jedoch habe die Bundesregierung nichts dementsprechendes vorgetragen. Ihre Erwägung, dass Arbeitnehmer, die wöchentlich weniger als 10, monatlich weniger als 45 Arbeitsstunden leisteten, nicht in einem anderen Arbeitnehmern vergleichbaren Maße in den Betrieb eingegliedert und ihm verbunden seien, stelle lediglich eine verallgemeinernde Aussage zu bestimmten Kategorien von Arbeitnehmern dar.

Das Urteil:

Artikel 119 EWG-Vertrag1 ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, die es den Arbeitgebern gestattet, von der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall diejenigen Arbeitnehmer auszunehmen, deren regelmäßige Arbeitszeit wöchentlich zehn Stunden oder monatlich 45 Stunden nicht übersteigt, wenn diese Maßnahme wesentlich mehr Frauen als Männer trifft, es sei denn, der Mitgliedstaat legt dar, dass die betreffende Regelung durch objektive Faktoren, die nichts mit einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zu tun haben, gerechtfertigt ist .

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1 jetzt Artikel 141 EG.

Originaltext des Urteils:

Urteil des Europäischen Gerichtshofes in der Rechtssache C-171/88: Rinner-Kühn