Vom Bezug von “Leistungen bei Arbeitslosigkeit” abhängiger Anspruch auf Familienleistungen

Ein Anspruch auf Kindergeld kann auch bei Ruhen des Anspruches auf Arbeitslosengeld bestehen
(C-243/94 vom 28.03.1996, Moreno)

Der Fall:

Der spanische Staatsangehörige Alejandro Rincón Moreno war von 1996 bis zum 15. Dezember 1992 als Arbeitnehmer in Deutschland beschäftigt und bezog als solcher von der Bundesanstalt für Arbeit Kindergeld für seine beiden Söhne, die in Spanien in der Ausbildung standen. Das Arbeitsverhältnis von Herrn Moreno wurde zum 15. Dezember 1992 beendet. Für die Beendigung galt allerdings wegen der Dauer des Arbeitsverhältnisses nach deutschem Recht eine Kündigungsfrist. Diese wurde jedoch mit Zustimmung von Herrn Moreno nicht eingehalten, dem von seinem Arbeitgeber eine Abfindung gezahlt wurde. Deshalb erließ die Bundesanstalt für Arbeit gegenüber Herrn Moreno zwei Bescheide gemäß dem Arbeitsförderungsgesetz. Sie entschied erstens, dass Herr Morenos Anspruch auf Arbeitslosengeld für die Zeit vom 16. Dezember 1992 bis zum 21. Februar 1993 ruhte und verhängte für die Zeit vom 16. Dezember 1992 bis zum 9. März 1993 eine Sperrzeit. Während des Zeitraums des Ruhens und der Sperrzeit war Herr Moreno jedoch gemäß dem deutschen Sozialrecht kranken- und unfallversichert.
Mit Bescheid vom April 1993 lehnte die Bundesanstalt für Arbeit die Gewährung von Kindergeld an Herrn Moreno für die Monate Januar und Februar 1993 mit der Begründung ab, nach Artikel 74 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 hänge die Gewährung von Kindergeld davon ab, dass der Betroffene "Leistungen bei Arbeitslosigkeit" nach den deutschen Rechtsvorschriften bezogen habe. Da Herrn Moreno während des streitigen Zeitraums wegen der von der Bundesanstalt für Arbeit gegen ihn verhängten Maßnahmen kein Arbeitslosengeld gezahlt worden sei, habe er auch keinen Anspruch auf Kindergeld.

Laut Europäischem Gerichtshof hat Herr Moreno einen Anspruch auf Kindergeld für den streitigen Zeitraum. Denn im Fall des Ruhens des Anspruchs auf Arbeitslosengeld kann die erhaltene Abfindung einer "Leistung bei Arbeitslosigkeit" gleichgestellt werden, da sie sich unmittelbar auf das in der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 genannte Risiko der Arbeitslosigkeit bezieht, und hinsichtlich der Sperrzeit ist festzustellen, dass Artikel 74 der Verordnung (EWG) Nr. 1408//1 den Begriff "Leistungen bei Arbeitslosigkeit" verwendet, ohne zwischen Geldleistungen und anderen Leistungen zu unterscheiden und ohne vorauszusetzen, dass der Betroffene alle in den Rechtsvorschriften des zuständigen Staates für die Zeit der Arbeitslosigkeit vorgesehenen Leistungen bezieht. Ist der vom Bezug von Arbeitslosengeld ausgeschlossene Arbeitslose nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaats weiter gegen Krankheit und Unfall versichert, so umfasst folglich die Wendung "Leistungen bei Arbeitslosigkeit nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats" in Artikel 74 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 auch diese Art von Leistungen.

Das Urteil:

Als "arbeitsloser Arbeitnehmer ..., der Leistungen bei Arbeitslosigkeit nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats bezieht", im Sinne des Artikels 74 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in der durch die Verordnung (EWG) Nr. 2001/83 des Rates vom 2. Juni 1983 geänderten und aktualisierten Fassung, erneut geändert durch die Verordnung (EWG) Nr. 3427/89 des Rates vom 30. Oktober 1989, ist auch ein bei der zuständigen nationalen Behörde gemeldeter Arbeitsloser anzusehen, dessen Anspruch auf Arbeitslosengeld wegen der Berücksichtigung einer ihm vom Arbeitgeber aufgrund der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne Einhaltung der Kündigungsfrist gezahlten Abfindung oder wegen des Eintritts einer Sperrzeit ruht, wenn er während dieses Zeitraums nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Staates gegen Krankheit und Unfall versichert ist.

Originaltext des Urteils:

Urteil des Europäischen Gerichtshofes in der Rechtssache C-243/94: Moreno