Allgemeiner Sozialbeitrag

Auch hier gilt das Verbot der doppelten Beitragsbelastung
(C-169/98 vom 15.02.2000, Kommission/Frankreich)

Der Fall:

1998 erhob die Kommission der Europäischen Gemeinschaften Klage gegen die Französische Republik, weil sie den allgemeinen Sozialbeitrag (contribution sociale généralisée; im folgenden: CSG) auch auf die Erwerbs- und Ersatzeinkünfte der Arbeitnehmer und Selbständigen angewandt hat, die zwar in Frankreich wohnen, aber in einem anderen Mitgliedstaat arbeiten.
Nach den einschlägigen französischen Vorschriften müssen Personen, deren Haushalt oder Hauptwohnsitz sich in Frankreich befindet, und die somit ihren steuerlichen Wohnsitz in Frankreich haben, den CSG insbesondere auf ihre Erwerbs- und Ersatzeinkünfte entrichten.
Vorbehaltlich internationaler Doppelbesteuerungsabkommen unterlagen auch ausländische Erwerbs- und Ersatzeinkünfte dem CSG.
Das Aufkommen aus dem CSG fließt der Zentralkasse für Familienzulagen, den Alterssolidaritätsfonds und den gesetzlichen Krankenversicherungssystemen zu. Soweit der CSG die Erwerbs- und Ersatzeinkünfte betrifft, wird er von den für die Einziehung der Beiträge für das allgemeine System der sozialen Sicherheit zuständigen Einrichtungen erhoben.
Nach Auffassung der Kommission wurde durch die Anwendung des CSG auf Einkünfte, die bereits im Beschäftigungsmitgliedstaat, dem nach Artikel 13 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit allein zuständigen Staat, mit sämtlichen Sozialabgaben belastet worden seien, gegen das Verbot der doppelten Beitragsbelastung verstoßen.
Die französische Regierung machte demgegenüber geltend, dass das Recht auf sozialen Schutz zu den Grundrechten des Bürgers gehöre. Dieser Schutz müsse für die gesamte Bevölkerung gelten und ein hohes Niveau erreichen, und seine Kosten müssten gerecht auf die Bürger verteilt werden. Aufgrund seiner Merkmale und seines Zweckes sei der CSG als Steuer zu qualifizieren, die somit nicht vom Geltungsbereich der Verordnung Nr. 1408/71 erfasst werde.

Laut Europäischem Gerichtshof bedeutet die Tatsache, dass eine Abgabe nach nationalem Recht als Steuer qualifiziert wird, nicht, dass sie nicht in den Geltungsbereich der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 fallen kann und damit nicht vom Verbot der doppelten Beitragsbelastung erfasst wird. Das entscheidende Kriterium für die Anwendung des Artikels 13 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 besteht nämlich darin, ob eine Abgabe speziell für die Finanzierung des Systems der sozialen Sicherheit eines Mitgliedstaats verwendet wird. Bezüglich des CSG verwies der Gerichtshof darauf, dass dieser, anders als die Abgaben, mit denen die allgemeinen Ausgaben der öffentlichen Hand finanziert werden sollen, speziell und unmittelbar zur Finanzierung der sozialen Sicherheit in Frankreich dient, da die entsprechenden Einnahmen der Zentralkasse für Familienzulagen, den Alterssolidaritätsfonds und den gesetzlichen Krankenversicherungssystemen zufließen. Damit besteht zwischen dem CSG und dem französischen allgemeinen System der sozialen Sicherheit ein unmittelbarer und hinreichend relevanter Zusammenhang, so dass dieser Beitrag als Abgabe betrachtet werden kann, die vom Verbot der doppelten Beitragsleistung erfasst wird.

Das Urteil:

Die Französische Republik hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 13 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in der durch die Verordnung (EG) Nr. 118/97 des Rates vom 2. Dezember 1996 geänderten und aktualisierten Fassung und aus den Artikeln 48 und 52 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 39 EG und 43 EG) verstoßen, dass sie den allgemeinen Sozialbeitrag auf die Erwerbs- und Ersatzeinkünfte der Arbeitnehmer und Selbständigen angewandt hat, die in Frankreich wohnen, aber nach der Verordnung Nr. 1408/71 nicht den französischen Rechtsvorschriften über die soziale Sicherheit unterliegen.

Originaltext des Urteils:

Urteil des Europäischen Gerichtshofes in der Rechtssache C-169/98: Kommission/Frankreich