Anwendbarkeit eines Abkommens zwischen Mitgliedstaaten über Arbeitslosenversicherung

Fortbestand der Vergünstigungen, wenn Recht auf Freizügigkeit vor Inkraftreten entsprechender Gemeinschaftsregelungen ausgeübt wurde
(C-75/99 vom 09.11.2000, Thelen)

Der Fall:

Der deutsche Staatsangehörige Edmund Thelen lebte von 1986 bis 1996 in Österreich, wo er vom 18. Juli 1991 bis zum 15. Juni 1993, vom 1. Dezember 1993 und vom 1. Februar bis zum 31. Januar 1996 eine nach österreichischem Recht zur Arbeitslosenversicherung beitragspflichtige Beschäftigung ausübte. Nachdem er nach Trier übergesiedelt war, beantragte er beim dortigen Arbeitsamt Arbeitslosengeld für die Zeit vom 4. März 1996 bis zum 31. Juli 1996. Herr Thelens Antrag wurde mit der Begründung abgelehnt, er erfülle nicht die Anwartschaftszeit. Die ausländischen Beschäftigungszeiten könnten bei der Geltendmachung seines Anspruchs nicht berücksichtigt werden, da am 1. Januar 1994 an die Stelle des deutsch- österreichischen Abkommens von 1979, wonach seine in Österreich zurückgelegten Beschäftigungszeiten zu berücksichtigen gewesen wären, die Gemeinschaftsverordnung über die soziale Sicherheit getreten sei. Jedoch erfülle Herr Thelen nicht die Voraussetzungen, die die Verordnung aufstellt, damit die fraglichen Beschäftigungszeiten Berücksichtigung finden könnten. Sein Widerspruch und seine Klage beim Sozialgericht blieben erfolglos. In dem durch Herrn Thelen eingelegten Berufungsverfahren führte das Landessozialgericht Rheinland- Pfalz in seinem Urteil aus, dass die fraglichen Beschäftigungszeiten trotz des Inkrafttretens der Verordnung zu berücksichtigen seien, da es die durch den EG- Vertrag garantierte Arbeitnehmerfreizügigkeit nicht zuließe, dass Arbeitnehmer aufgrund des Inkrafttretens der Verordnung Vergünstigungen der sozialen Sicherheit aus Abkommen zwischen Mitgliedstaaten verlören. Es gab daher der Klage statt. Das Arbeitsamt legte gegen das Urteil Revision beim Bundessozialgericht ein.

Laut Europäischem Gerichtshof finden Bestimmungen eines für den Versicherten günstigeren zwischenstaatlichen Abkommens auf dem Gebiet der Arbeitslosenversicherung dann Anwendung, wenn dieser sein Recht auf Freizügigkeit vor Inkrafttreten der Gemeinschaftsverordnung über die soziale Sicherheit ausgeübt hat.

Das Urteil:

Die Artikel 6 und 7 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und deren Familien, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in der durch die Verordnung (EWG) Nr. 2001/83 des Rates vom 2. Juni 1983 geänderten und aktualisierten Fassung, geändert durch die Verordnung (EWG) Nr. 2332/89 des Rates vom 18. Juli 1989, stehen der Anwendung der Bestimmungen eines für den Versicherten günstigeren zwischenstaatlichen Abkommens auf dem Gebiet der Arbeitslosenversicherung dann nicht entgegen, wenn dieser sein Recht auf Freizügigkeit vor Inkrafttreten der Verordnung ausgeübt hat, auch wenn infolge einer Rahmenfrist in dem nationalen Recht, nach dem sich die Ansprüche des Versicherten bestimmen, ein Leistungsanspruch nicht in vollem Umfang aus der Zeit vor diesem Inkrafttreten hergeleitet werden kann.

Orginaltext des Urteils:

Urteil des Europäischen Gerichtshofes in der Rechtssache C-75/99: Thelen