Lehramtsreferendare fallen in den Schutzbereich des Freizügigkeitsrechts

Beamtenstatus spielt insofern keine Rolle
(C - 66/85 vom 03.07.1986, Lawrie-Blum)

Der Fall:

Die britische Staatsangehörige Deborah Lawrie-Blum wurde, nachdem sie an der Universität Freiburg die Prüfung für das Lehramt an Gymnasien abgelegt hatte, vom Oberschulamt Stuttgart wegen ihrer Staatsangehörigkeit nicht zum Vorbereitungsdienst (Referendariat) zugelassen, durch den die Befähigung für die Laufbahn des höheren Schuldienstes an Gymnasien erworben wird. Frau Lawrie-Blum sah darin einen Verstoß gegen das gemeinschaftsrechtliche Verbot jeder Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit beim Zugang zu einer Beschäftigung. Die Schulbehörde machte demgegenüber geltend, dass eine Beschäftigung in der öffentlichen Verwaltung von den Vorschriften über Arbeitnehmerfreizügigkeit ausgeschlossen sei und wies diesbezüglich darauf hin, dass ein Studienreferendar zum Beamten auf Widerruf ernannt werde.

Laut Europäischem Gerichtshof sind unter einer "Beschäftigung in der öffentlichen Verwaltung" nur diejenigen Stellen zu verstehen, die eine unmittelbare oder mittelbare Teilnahme an der Ausübung hoheitlicher Befugnisse und an der Wahrnehmung solcher Aufgaben mit sich bringen, die auf die Wahrung der allgemeinen Belange des Staates oder anderer öffentlicher Körperschaften gerichtet sind und die deshalb ein Verhältnis besonderer Verbundenheit des jeweiligen Stelleninhabers zum Staat sowie die Gegenseitigkeit von Rechten und Pflichten voraussetzen, die dem Staatsangehörigkeitsband zugrunde liegen. Diese sehr engen Voraussetzungen sind im Falle des Studienreferendars nicht erfüllt. Die Tatsache allein, dass mit dem Beginn des Vorbereitungsdienstes der Beamtenstatus erlangt wird, macht eine Beschäftigung nicht zu einer solchen "in der öffentlichen Verwaltung".

 

Das Urteil:

1. Ein Studienreferendar, der nach Weisung und unter der Aufsicht der Schulbehörden einen Vorbereitungsdienst für ein Lehramt ableistet, bei dem er Leistungen erbringt, indem er Unterricht erteilt, und eine Vergütung erhält, ist unabhängig von der Rechtsnatur des Beschäftigungsverhältnisses als Arbeitnehmer im Sinne von Artikel 48 Absatz 1 EWG-Vertrag1 anzusehen.

2. Der Vorbereitungsdienst für ein Lehramt kann nicht als Beschäftigung in der öffentlichen Verwaltung im Sinne von Artikel 48 Absatz 42 angesehen werden, zu der die Zulassung den Staatsangehörigen der anderen Mitgliedstaaten verweigert werden kann.
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1 Jetzt Artikel 39 Absatz 1 EG.
2 Jetzt Artikel 39 Absatz 4 EG.

Originaltext des Urteils:

Urteil des Europäischen Gerichtshofes in der Rechtssache C-66/85:
Deborah Lawrie - Blum / Land Baden-Württemberg