Überbrückungsbeihilfe für ehemalige zivile Arbeitnehmer der alliierten Streitkräfte in Deutschland

Fiktive Berücksichtigung der deutschen Lohnsteuer bei Grenzgängern unzulässig
(C-400/02 vom 16.09.2004, Merida)

Der Fall:

Der französische Staatsangehörige Gerard Merida war bis einschließlich November 1999 bei den französischen Stationierungsstreitkräften in Baden-Baden als ziviler Arbeitnehmer beschäftigt, aber in Frankreich ansässig. Auf sein Arbeitsverhältnis fand der Tarifvertrag vom 31. August 1971 zur sozialen Absicherung eines solchen Arbeitnehmers Anwendung, und seine Vergütung wurde ihm namens und für Rechnung seines Arbeitgebers von den deutschen Behörden gezahlt. Nach dem Doppelbesteuerungsabkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik vom 21. Juli 1959 wurde die Bruttovergütung, die Herr Merida für seine berufliche Tätigkeit erhielt, nach Abzug der in Deutschland gezahlten Sozialversicherungsbeiträge in Frankreich versteuert. Nach Auflösung seines Arbeitsvertrags erhielt Herr Merida eine Überbrückungsbeihilfe. Bei der Ermittlung von deren Bemessungsgrundlage zogen die deutschen Behörden von der tarifvertraglich vorgesehenen Grundvergütung, „die dem Arbeitnehmer ... im Zeitpunkt der Entlassung für einen vollen Kalendermonat zustand", im Wege einer fiktiven Berechnung nicht nur den Betrag der deutschen Sozialversicherungsbeiträge ab, sondern auch die deutsche Lohnsteuer. Herr Merida hielt dies für unzulässig, da nach dem Doppelbesteuerungsabkommen die Überbrückungsbeihilfe nur in Frankreich zu versteuern sei und er im vorliegenden Fall steuerlich unzulässig doppelt belastet werde.

Laut Europäischem Gerichtshof ist die fiktive Berücksichtigung der deutschen Lohnsteuer bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage der Überbrückungsbeihilfe für Arbeitnehmer in der Lage von Herrn Merida diskriminierend, denn Grenzgänger, die wie er in einem anderen Mitgliedstaat als der Bundesrepublik Deutschland ansässig und steuerpflichtig sind, werden gegenüber Arbeitnehmern, die in Deutschland ihren Wohnsitz haben und dort steuerpflichtig sind, benachteiligt. Der in Streit stehende Berechnungsmodus kann auch nicht wegen etwaiger administrativer Schwierigkeiten, die die Anwendung verschiedener Berechnunsgmodi nach dem jeweiligen Wohnsitz des Betreffenden auslösen würde, und die Auswirkungen auf den Haushalt bei Nichtberücksichtigung der deutschen Lohnsteuer gerechtfertigt werden.

Das Urteil:

Artikel 39 EG und Artikel 7 Absatz 4 der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 des Rates vom 15. Oktober 1968 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft stehen einer nationalen tarifvertraglichen Regelung entgegen, nach der der Betrag einer vom Beschäftigungsstaat gezahlten Sozialleistung wie der Überbrückungsbeihilfe so berechnet wird, dass die in diesem Staat geschuldete Lohnsteuer bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage der Beihilfe fiktiv abgezogen wird, während nach einem Doppelbesteuerungsabkommen Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen von Arbeitnehmern, die nicht in diesem Beschäftigungsstaat ansässig sind, nur in dem Mitgliedstaat besteuert werden, in dem sie ansässig sind.

Orginaltext des Urteils:

Urteil des Europäischen Gerichtshofes in der Rechtssache C-400/0: Merida