Berechnung von Krankengeld entsprechend dem durch die Steuerklasse bestimmten Nettoeinkommen

Nachträgliche Änderung der Steuerklasse muss berücksichtigt werden
(C-332/05 vom 18.01.2007, Celozzi)

Der Fall:

Der italienische Staatsangehörige Aldo Celozzi arbeitete und wohnte lange Zeit in Deutschland, während seine nicht berufstätige Ehefrau, ebenfalls eine italienische Staatsangehörige, mit den gemeinsamen Kindern weiter in Italien wohnte.
Im Mai 1997 wurde er stationär behandelt und war anschließend längere Zeit krankheitsbedingt arbeitsunfähig. Von Juni 1997 bis Januar 1998 und von Februar bis November 1998 wurde ihm Krankengeld gezahlt; danach bezog er Arbeitslosengeld.
Der Berechnung des Krankengelds legte die deutsche Krankenkasse gemäß § 47 SGB V das letzte Arbeitsentgelt von Herrn Celozzi, das ihm sein Arbeitgeber im April 1997 gezahlt hatte, zugrunde. Zu diesem Zeitpunkt waren in der Lohnsteuerkarte, für Herrn Celozzi die Steuerklasse II, die üblicherweise für einen dauernd von seinem Ehegatten getrennt lebenden Arbeitnehmer mit Kindern gilt, und zwei Kinderfreibeträge eingetragen. Herr Celozzi erhielt damit ein Nettoarbeitsentgelt von 2 566,22 DM und ein Krankengeld von 72,70 DM pro Tag. Ausgehend von der Steuerklasse III, der in der Regel ein verheirateter, mit seinem Ehegatten zusammenlebender und allein verdienender Arbeitnehmer angehört, hätte dagegen das Nettoarbeitsentgelt 2 903,52 DM und das Krankengeld 82,25 DM pro Tag betragen.
Im August 2000 beantragte Herr Celozzi bei der Krankenkasse, die Berechnung seines Krankengeldes zu überprüfen und dabei die Steuerklasse III zugrunde zu legen, die günstiger sei als die ihm zugewiesene und deren Voraussetzungen er seit Beginn seines Krankengeldanspruchs erfülle. Seine Einkommensteuer sei nachträglich vermindert und sein Arbeitslosengeld nachträglich erhöht worden.
Obwohl das zuständige deutsche Finanzamt bestätigte, dass die Voraussetzungen für eine steuerliche Zusammenveranlagung von Herrn Celozzi und seiner Ehefrau schon 1997 vorgelegen hätten, lehnte es die Krankenkasse ab, Herrn Celozzi rückwirkend ein höheres Krankengeld zu zahlen, weil dieses zur Zeit seiner krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit zutreffend berechnet worden sei und eine rückwirkende Änderung der Steuerklasse nach der zu dieser Frage vorliegenden Rechtsprechung keinen Einfluss auf die Krankengeldhöhe habe.

Dass es im Rahmen der Anwendung des § 47 SGB V zu einer amtlichen Einreihung eines Wanderarbeitnehmers in eine ungünstige Steuerklasse kommen kann, die Änderung der Steuerklasse nur auf Antrag des Wanderarbeitnehmers vorgenommen wird und eine nachträgliche Änderung der Steuerklasse für die Krankengeldhöhe unberücksichtigt bleibt, ist laut Europäischem Gerichtshof nicht mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar.

Das Urteil:

Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in der durch die Verordnung (EG) Nr. 118/97 des Rates vom 2. Dezember 1996 geänderten und aktualisierten Fassung steht der Anwendung einer von einem Mitgliedstaat durchgeführten Krankengeldregelung wie der im Ausgangsverfahren betroffenen entgegen,

- wonach ein Wanderarbeitnehmer, dessen Ehegatte in einem anderen Mitgliedstaat wohnt, von Amts wegen in eine Steuerklasse eingereiht wird, die weniger günstig ist als die eines verheirateten inländischen Arbeitnehmers, dessen Ehegatte im betreffenden Mitgliedstaat wohnt und nicht erwerbstätig ist, und

- die nicht zulässt, dass für die Höhe des Krankengelds, die vom Nettoarbeitsentgelt abhängt, das sich wiederum nach der Steuerklasse richtet, rückwirkend eine nachträgliche Berichtigung der Steuerklasse berücksichtigt wird, die auf einen ausdrücklichen Antrag des Wanderarbeitnehmers hin erfolgt, der auf seinen tatsächlichen Familienstand gestützt ist.

Originaltext des Urteils:

Urteil des Europäischen Gerichtshofes in der Rechtssache C-332/05: Celozzi