Unterscheidung zwischen Kurzarbeiter und Vollarbeitslosem

Hat nach gemeinschaftsrechtlichen und nicht nach nationalrechtlichen Kriterien zu erfolgen
(C - 444/98 vom 15.01.2001, Laat)

Der Fall:

Der niederländische Staatsangehörige R. J. de Laat, der mit seiner Familie in den Niederlanden wohnt, war von 1994 bis 1996 als Betriebsleiter bei einer belgischen Firma als Vollzeitbeschäftigter tätig. Im Dezember 1996 nahm er bei demselben Arbeitgeber eine Tätigkeit im Rahmen eines neuen Arbeitsvertrages als Fensterputzer auf. Es handelte sich dabei um einen Teilzeitarbeitsvertrag, der eine Arbeitszeit von 13 Wochenstunden vorsah. Ende November 1996 stellte Herr de Laat bei der zuständigen niederländischen Behörde einen Antrag auf Gewährung einer Leistung nach dem niederländischen Gesetz über die Arbeitslosigkeit. Nach dieser Regelung ist ein Arbeitnehmer unter anderem als arbeitslos anzusehen, der eine gewisse Anzahl an Arbeitsstunden verloren und eine Lohneinbuße erlitten hat. Mit Bescheid vom Januar 1997 lehnte die niederländische Behörde seinen Antrag ab, da nach Kriterien des niederländischen Rechts Herr de Laat unter Zugrundelegung der europäischen Verordnung über die soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer als Kurzarbeiter einzustufen sei und er daher seinen Antrag in dem Land stellen müsse, wo er arbeite. In Belgien hatte Herr de Laat einen Antrag auf Gewährung einer "Einkommensgarantie- Leistung" gestellt, der jedoch ebenfalls abgelehnt wurde. Nach Ansicht des belgischen Trägers sei Herr de Laat nicht als Kurzarbeiter im Sinne der europäischen Verordnung und des belgischen Rechts anzusehen und damit nicht bezugsberechtigt.

Laut Europäischem Gerichtshof dürfen sich die Kriterien, die der Feststellung dienen, ob ein Arbeitnehmer, der in einem Mitgliedstaat wohnt und in einem anderen arbeitet, als Kurzarbeiter im Sinne der einschlägigen europäischen Verordnung anzusehen ist, nicht nach innerstaatlichem Recht richten. Ein Arbeitnehmer ist Kurzarbeiter, wenn er in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen, auf dessen Gebiet er wohnt, vom selben Unternehmen weiter beschäftigt wird, jedoch in Teilzeitbeschäftigung, wobei er Anwärter auf eine Vollzeitbeschäftigung bleibt. Die Leistungen werden dann vom zuständigen Träger dieses Staats gewährt.

Das Urteil:

1. Die Kriterien, die der Feststellung dienen, ob ein Grenzgänger als Kurzarbeiter oder als vollarbeitslos im Sinne des Artikels 71 Absatz 1 Buchstabe a der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in der durch die Verordnung (EWG) Nr. 2001/83 des Rates vom 2. Juni 1983 geänderten und aktualisierten Fassung anzusehen ist, müssen einheitlich und gemeinschaftlich sein. Diese Beurteilung kann sich nicht nach Kriterien des innerstaatlichen Rechts richten.

2. Wird ein Arbeitnehmer, der in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen, auf dessen Gebiet er wohnt, von demselben Unternehmen weiter beschäftigt, jedoch in Teilzeitbeschäftigung, wobei er Anwärter auf eine Vollzeitbeschäftigung bleibt, so ist er Kurzarbeiter und die Leistungen werden vom zuständigen Träger dieses Staates gewährt. Hat ein Grenzgänger dagegen keine Verbindung mehr mit diesem Staat und ist er vollarbeitslos, so werden die Leistungen vom Träger des Wohnorts zu dessen Lasten gewährt. Es ist Sache des innerstaatlichen Gerichts, nach diesen Kriterien in dem Einzelfall, in dem es zu entscheiden hat, festzustellen, zu welcher Kategorie der Arbeitnehmer gehört.

Originaltext des Urteils:

Urteil des Europäischen Gerichtshofes in der Rechtssache C-444/98:
R. J. de Laat / Bestuur van het Landelijk instituut sociale verzekeringen