Transfer von Basketballspielern aus anderen Mitgliedstaaten

Mitgliedstaatsangehörige dürfen gegenüber Drittstaatsangehörigen nicht benachteiligt werden
(C-176/96 vom 13.04.2000, Lehtonen u. a.)

Der Fall:

Der finnische Staatsangehörige Jyri Lehtonen ist Basketballspieler, der in der Saison 1995/96 in einer Mannschaft spielte, die an der finnischen Meisterschaft teilnahm. Danach wurde er von einem belgischen Verein für die Endphase der belgischen Meisterschaft 1995/ 96 verpflichtet und schloss deswegen am 3. April 1996 mit besagtem Verein einen Arbeitsvertrag zur Beschäftigung als Profisportler. Nach den belgischen Regelungen für Transferfristen durften Basketballvereine nach einem bestimmten Stichtag keine Spieler mehr in ihre Mannschaft aufnehmen, die in derselben Saison bereits in einem anderen Land gespielt hatten. Für die Registrierung europäischer Spieler war der Stichtag der 28. Februar. Der Transfer von Spielern aus anderen Ländern war auch noch nach diesem Datum zulässig. Trotz dieser Transferregelung wurde Herr Lehtonen von seinem Verein am 6. April 1996 in einem Spiel eingesetzt, das sein Verein gewann. Nach einer Beschwerde der gegnerischen Mannschaft, die sich auf die Verletzung der Transferregeln durch Lehtonens Verein berief, wurde das Spiel als Sanktion als verloren gewertet. Bei den folgenden Meisterschaftsspielen wurde Herr Lehtonen nicht mehr aufgestellt und eingesetzt.

Laut Europäischem Gerichtshof laufen Reglements eines Sportverbandes, wonach ein Basketballverein für Spiele um die nationale Meisterschaft keine Spieler aus anderen Mitgliedstaaten aufstellen darf, wenn der Transfer nach einem bestimmten Zeitpunkt stattgefunden hat, der Arbeitnehmerfreizügigkeit zuwider, wenn für Transfers von Spielern aus Drittländern ein späteres Datum gilt. Gerechtfertigt ist diese Ungleichbehandlung nur, wenn objektive Gründe vorliegen, die nur den Sport als solchen betreffen.

Das Urteil:

Artikel 48 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 39 EG) steht der Anwendung einer von Sportverbänden in einem Mitgliedstaat getroffenen Regelung, wonach ein Basketballverein für Spiele um die nationale Meisterschaft keine Spieler aus anderen Mitgliedstaaten aufstellen darf, die nach einem bestimmten Datum transferiert worden sind, entgegen, wenn für Transfers von Spielern aus bestimmten Drittländern insoweit ein späteres Datum gilt, es sei denn, dass objektive Gründe, die nur den Sport als solchen betreffen oder Unterschieden zwischen der Lage von Spielern aus einem Verband der europäischen Zone und der von Spielern aus einem Verband außerhalb dieser Zone Rechnung tragen, eine solche unterschiedliche Behandlung rechtfertigen.

Die Pressemitteilung:

Urteil des Europäischen Gerichtshofes in der Rechtssache C-176/96: Jyri Lehtonen u. a. / Fédération royale belge des sociétés de basket-ball ASBL (FRBSB)

Pressemitteilung des Europäischen Gerichtshofes Nr. 30/00 vom 13. April 2000

Eine Regelung, die Berufssportler an der Teilnahme an Wettkämpfen hindert, wenn ihr Transfer nach einem bestimmten Zeitpunkt stattgefunden hat, kann ein Hindernis für die Freizügigkeit der Arbeitnehmer darstellen.

Ob es rechtfertigende Gründe für Hindernisse für die Freizügigkeit von Berufssportlern gibt, ist von den nationalen Gerichten zu beurteilen.

Das Basketballspiel wird weltweit durch die FIBA (Fédération internationale de basket-ball) organisiert. Dem belgischen Verband (FRBSB) gehörten 1996 elf der zwölf Vereine an, die an der nationalen belgischen Meisterschaft der ersten Liga teilnahmen.

Der internationale Spielertransfer wird durch ein Reglement der FIBA geregelt. Die nationalen Verbände sollen sich bei der Festlegung ihrer eigenen Transferregelungen an diesem Reglement orientieren.

Nach dem FIBA-Reglement dürfen Vereine der europäischen Zone bei nationalen Meisterschaften ausländische Spieler, die schon in einem anderen Land der europäischen Zone gespielt haben, nur einsetzen, wenn ihr Transfer nicht nach dem 28. Februar stattgefunden hat. Spieler aus nichteuropäischen Vereinen dürfen dagegen auch nach diesem Datum noch transferiert und sodann eingesetzt werden.

J. Lehtonen, ein finnischer Basketballspieler, wurde gegen Ende der Saison 1995/96 von dem belgischen Verein Castors Braine für die Teilnahme an der Endphase der belgischen Meisterschaft verpflichtet. Dafür schloss er am 3. April 1996 mit dem Verein einen Arbeitsvertrag über seine Beschäftigung als Berufssportler ab.

Als Sanktion für den Einsatz von J. Lehtonen wurden zwei Spiele als Niederlagen für Castors Braine gewertet, nachdem sich ein anderer Verein bei der FRBSB über einen Verstoß gegen die FIBA-Regelung über den Spielertransfer innerhalb der europäischen Zone beschwert hatte.

Um die Aufhebung dieser Sanktionen zu erwirken und weitere Sanktionen gegen die Teilnahme von J. Lehtonen an der Meisterschaft zu vermeiden, riefen dieser und sein Verein das Tribunal de première Instance Brüssel an. Dieses legte dem Gerichtshof daraufhin die Frage vor, ob das Reglement eines Sportverbands, wonach ein Verein einen erst nach einem bestimmten Zeitpunkt verpflichteten Spieler nicht mehr erstmalig im Wettkampf aufstellen darf, mit dem Grundsatz der Freizügigkeit der Arbeitnehmer vereinbar ist.

Der Gerichtshof erinnert zunächst daran, dass die Ausübung von Sport, soweit sie zum Wirtschaftsleben im Sinne des EG-Vertrags gehöre, unter das Gemeinschaftsrecht falle. Organisationsregelungen des Sports - und zwar auch solche, die von Sportverbänden erlassen worden seien - müssten deshalb dem Gemeinschaftsrecht entsprechen. Indessen liefen Regelungen oder Praktiken, die ausländische Spieler aus nichtwirtschaftlichen Gründen von bestimmten sportlichen Begegnungen ausschlössen (z.B. Spiele zwischen Nationalmannschaften), nicht schon an sich dem Grundsatz der Freizügigkeit zuwider.

Da die Teilnahme an sportlichen Begegnungen das wesentliche Ziel der Tätigkeit eines Sportlers sei, schränke eine Regelung, die diese Teilnahme beschränke, auch die Beschäftigungsmöglichkeiten des betroffenen Spielers ein. Eine Regelung, die die belgischen Vereine daran hindere, Basketballspieler aus anderen Mitgliedstaaten bei Meisterschaftsspielen einzusetzen, wenn diese Spieler erst nach einem bestimmten Zeitpunkt verpflichtet worden seien, stelle ein Hindernis für die Freizügigkeit der Arbeitnehmer dar.

Ein solches Hindernis könne allerdings durch nichtwirtchaftliche Gründe gerechtfertigt sein, die ausschließlich den Sport als solchen beträfen. Eine Regelung über bestimmte Fristen für Spielertransfers könne nämlich dazu dienen, den geordneten Ablauf sportlicher Wettkämpfe sicherzustellen, sofern sie nicht über das hinausgehe, was zur Erreichung dieses Zwecks erforderlich sei. Ob diese Voraussetzung erfüllt sei, sei vom nationalen Gericht zu beurteilen.

Originaltext des Urteils:

Urteil des Europäischen Gerichtshofes in der Rechtssache C-176/96: Lehtonen u. a.