Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub

Einbeziehung des Entgelts für den Jahresurlaub in Stunden- oder Tageslohn unzulässig
(C-131/04 und C-257/04 vom 16.03.2006, Robinson-Steele u. a.)

Der Fall:

Die britischen Staatsangehörigen C. D. Robinson- Steele und Michael Jason Clarke waren als Arbeitnehmer bei verschiedenen britischen Unternehmen beschäftigt. Das Entgelt für den Jahresurlaub erhielten sie in der Form ausgezahlt, dass es in ihren Stundenlohn einbezogen wurde, anstatt diese Zahlung für einen bestimmten Urlaubsabschnitt zu erhalten. Nach der Arbeitszeitrichtlinie sind von den Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, damit jeder Arbeitnehmer einen bezahlten Mindestjahresurlaub von vier Wochen erhält. Außer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses darf der bezahlte Mindestjahresurlaub nicht durch eine finanzielle Vergütung ersetzt werden. Die zur Umsetzung der Verpflichtungen aus der Richtlinie erlassenen nationalen (britischen) Bestimmungen sehen vor, dass jedes vertragliche Entgelt, das einem Arbeitnehmer gezahlt wird, den Arbeitgeber von seiner gesetzlichen Verpflichtung befreit, für diesen Zeitabschnitt Zahlungen an den Arbeitnehmer zu leisten.

Laut Europäischem Gerichtshof soll das Urlaubsentgelt dem Arbeitnehmer ermöglichen, den Urlaub, auf den er Anspruch hat, auch tatsächlich zu nehmen. Der Begriff des "bezahlten Jahresurlaubs" bedeutet, dass das Arbeitsentgelt für die Dauer des Jahresurlaubs im Sinne der Richtlinie weiterzugewähren ist, und der Arbeitnehmer für diese Ruhezeit das gewöhnliche Arbeitsentgelt erhalten muss. Die Richtlinie lässt es daher nicht zu, dass ein Teil des Arbeitsentgelts als Entgelt für Jahresurlaub ausgewiesen wird, ohne dass dem Arbeitnehmer ein Urlaubsentgelt zusätzlich zu dem Entgelt für geleistete Arbeit gezahlt wird.

Das Urteil:

1. Artikel 7 Absatz 1 der Richtlinie 93/104/EG des Rates vom 23. November 1993 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung lässt es nicht zu, dass ein Teil des dem Arbeitnehmer für geleistete Arbeit gezahlten Entgelts als Entgelt für Jahresurlaub ausgewiesen wird, ohne dass der Arbeitnehmer eine zusätzliche Zahlung zum Entgelt für geleistete Arbeit erhöht. Dieses Recht kann nicht durch vertragliche Vereinbarung abbedungen werden.

2. Artikel 7 der Richtlinie 93/104 lässt es nicht zu, dass das Entgelt für den Mindestjahresurlaub im Sinne dieser Bestimmung in Teilbeträgen gezahlt wird, die, über das entsprechende Arbeitsjahr verteilt, zusammen mit dem Entgelt für geleistete Arbeit und nicht als Entgelt für einen bestimmten Zeitabschnitt, in dem der Arbeitnehmer tatsächlich Urlaub nimmt, ausgezahlt werden.

3. Artikel 7 der Richtlinie 93/104 lässt es grundsätzlich zu, dass Beträge, die in transparenter und nachvollziehbarer Weise im Hinblick auf Entgelt für den Mindestjahresurlaub im Sinne dieser Bestimmung in Form von Teilbeträgen gezahlt wurden, die, über das entsprechende Arbeitsjahr verteilt, zusammen mit dem Entgelt für geleistete Arbeit ausgezahlt wurden, auf das Entgelt für einen bestimmten, vom Arbeitnehmer tatsächlich genommenen Urlaub angerechnet werden.

Die Pressemitteilung:

Urteil des Europäischen Gerichtshofes in der Rechtssache C-131/04 und C-257/04: C. D. Robinson Steele / R. D. Retail Services Ltd, Michael Jason Clarke / Frank Staddon Ltd, J. C. Caulfield u. a. / Hanson Clay Products, ehemals Marshalls Clay Products Ltd

Pressemitteilung des Europäischen Gerichtshofes Nr. 24/06 vom 16. März 2006

Ein in den Stunden- oder Tageslohn einbezogenes Entgelt für den Jahresurlaub (rolled- up holiday pay) verstößt gegen die Arbeitszeitrichtlinie.

Ein solches System kann zu Situationen führen, in denen der bezahlte Mindestjahresurlaub durch eine finanzielle Vergütung ersetzt wird.

Nach der Arbeitszeitrichtlinie1 haben die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, damit jeder Arbeitnehmer einen bezahlten Mindestjahresurlaub von vier Wochen erhält. Der bezahlte Jahresurlaub darf außer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht durch eine finanzielle Vergütung ersetzt werden. Nach der die Richtlinie umsetzenden britischen Regelung befreit jedes vertragliche Entgelt, das einem Arbeitnehmer für einen Urlaubsabschnitt gezahlt wird, den Arbeitgeber von seiner gesetzlichen Verpflichtung, für diesen Zeitabschnitt Zahlungen an den Arbeitnehmer zu leisten.

Die Kläger Robinson- Steele, Clarke, J. C. Caulfield, C. F. Caulfield und Barnes, die bei unterschiedlichen Unternehmen beschäftigt waren, erhielten das Entgelt für den Jahresurlaub in der Form ausgezahlt, dass es in ihren Stundenlohn einbezogen wurde- Regelung des so genannten "rolled- up holiday pay" -, anstatt diese Zahlung für einen bestimmten Urlaubsabschnitt zu erhalten.

Diese Arbeitnehmer erhoben beim Employment Tribunal (Arbeitsgericht) Klage auf Zahlung des Entgelts für den Jahresurlaub. Das vom Kläger Robinson- Steele angerufene Leeds Employment Tribunal und der Court of Appeal, der in den von den Klägern Clarke, Caulfield, Caulfield und Barnes angestrengten Verfahren als Berufungsgericht angerufen worden war, haben den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften gefragt, ob das System des "rolled- up holiday pay" mit der Arbeitszeitrichtlinie vereinbar ist.

Der Gerichtshof erinnert daran, dass der Anspruch jedes Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub ein bedeutsamer Grundsatz des Sozialrechts der Gemeinschaft ist, von dem nicht abgewichen werden darf. Das Urlaubsentgelt soll es dem Arbeitnehmer ermöglichen, den Urlaub, auf den er Anspruch hat, tatsächlich zu nehmen. Der Begriff des "bezahlten Jahresurlaubs" bedeutet, dass das Arbeitsentgelt für die Dauer des Jahresurlaubs im Sinne der Richtlinie weiterzugewähren ist und der Arbeitnehmer für diese Ruhezeit das gewöhnliche Arbeitsentgelt erhalten muss. Die Richtlinie lässt es daher nicht zu, dass ein Teil des Arbeitsentgeltes als Entgelt für Jahresurlaub ausgewiesen wird, ohne dass dem Arbeitnehmer ein Urlaubsentgelt zusätzlich zu dem Entgelt gezahlt wird. Dieses Recht kann auch nicht durch vertragliche Vereinbarung abgedungen werden.

Zum Zeitpunkt, zu dem das Entgelt für den Jahresurlaub zu zahlen ist, stellt der Gerichtshof fest, dass dieser in keiner Bestimmung der Richtlinie ausdrücklich festgelegt ist. Durch das Erfordernis der Zahlung des Urlaubsentgelts soll jedoch der Arbeitnehmer während des Jahresurlaubs in eine Lage versetzt werden, die in Bezug auf das Entgelt mit den Zeiten geleisteter Arbeit vergleichbar ist. Daher ist der Zeitpunkt, zu dem das Entgelt für den Jahresurlaub zu zahlen ist, grundsätzlich so festzulegen, dass der Arbeitnehmer während des Jahresurlaubs in Bezug auf das Entgelt in eine Lage versetzt wird, die mit den Zeiten geleisteter Arbeit vergleichbar ist.

Außerdem kann eine Regelung des "rolled- up holiday pay" zu Situationen führen, in denen der bezahlte Mindestjahresurlaub doch durch eine finanzielle Vergütung ersetzt wird, was die Richtlinie außer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses untersagt, damit gewährleistet ist, dass der Arbeitnehmer normalerweise über eine tatsächliche Ruhezeit verfügen kann.

Der Gerichtshof stellt daher fest, dass die Zahlung des Entgelts für den Mindestjahresurlaub im Rahmen eines Systems des "rolled- up holiday pay" statt durch Zahlung eines Entgelts für einen bestimmten Zeitabschnitt, in dem der Arbeitnehmer tatsächlich Urlaub nimmt, gegen die Arbeitszeitrichtlinie verstößt.

Was die Beträge angeht, die den Arbeitnehmern im Rahmen des Systems des "rolled- up holiday pay" bereits als Urlaubsentgelt gezahlt worden sind, so können in transparenter und nachvollziehbarer Weise geleistete Zahlungen grundsätzlich auf das Entgelt für einen zeitlich bestimmten Urlaub angerechnet werden. Eine solche Anrechnung ist aber bei fehlender Transparenz oder Nachvollziehbarkeit ausgeschlossen. Die Beweislast trägt insoweit der Arbeitgeber. Die Mitgliedstaaten sind verpflichtet, geeignete Maßnahmen zu treffen, um sicherzustellen, dass keine mit den Richtlinienbestimmungen über den Anspruch auf Jahresurlaub unvereinbaren Praktiken beibehalten werden.
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1 Richtlinie 93/104/EG des Rates vom 23. November 1993 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (ABl. L 307, S. 18).

Originaltext des Urteils:

Urteil des Europäischen Gerichtshofes in den Rechtssachen C-131/04 und 257/04: Robinson-Steele u. a.