Richtlinie zur Bekämpfung der Diskriminierung von behinderten Arbeitnehmern

In deren Schutzbereich fällt keine Person, der ausschließlich wegen Krankheit gekündigt wurde
(C-13/05 vom 11.07.2006, Navas)

Der Fall:

Die spanische Staatsbürgerin Sonia Chacón Navas arbeitete für die Eurest Colectividades SA, einen Betrieb, der sich auf Pflegedienste spezialisiert hatte. Aufgrund einer Krankheit war Frau Navas langfristig an der weiteren Ausübung ihrer Arbeit gehindert, was ihren Arbeitgeber dazu veranlasste, sie im Mai 2004 zu kündigen und ihr eine Entschädigung anzubieten. Im Juni 2004 erhob Frau Navas Klage gegen Eurest, sie wieder auf ihrem Arbeitsplatz einzustellen. Nach Auffassung des mit der Klage befassten Gerichts sei Frau Navas allein aus dem Grunde gekündigt worden, dass sie krank war. Des weiteren führt es aus, dass Krankheit häufig zu einer irreversiblen Behinderung führen könne. Arbeitnehmer müssten deshalb rechtzeitig auf der Grundlage des Verbotes der Diskriminierung wegen einer Behinderung geschützt werden. Daher hat das spanische Gericht dem Europäischen Gerichtshof Fragen zur Auslegung der Richtlinie zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf, deren Zweck es unter anderem ist, Diskriminierungen aufgrund einer Behinderung zu bekämpfen, vorgelegt.

Laut Europäischem Gerichtshof gilt die besagte Richtlinie zwar im Hinblick auf Kündigungen, die wegen einer Behinderung ausgesprochen werden. Jedoch werde eine Person, der von ihrem Arbeitgeber ausschließlich wegen Krankheit gekündigt worden sei, nicht von dem durch die Richtlinie zur Bekämpfung der Diskriminierung wegen einer Behinderung geschaffenen allgemeinen Rahmen erfasst.

Das Urteil:

1. Eine Person, der von ihrem Arbeitgeber ausschließlich wegen Krankheit gekündigt worden ist, wird nicht von dem durch die Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf zur Bekämpfung der Diskriminierung wegen einer Behinderung geschaffenen allgemeinen Rahmen erfasst.

2. Das Verbot der Diskriminierung wegen einer Behinderung bei Entlassungen nach den Artikeln 2 Absatz 1 und 3 Absatz 1 Buchstabe c der Richtlinie 2000/78 steht der Entlassung wegen einer Behinderung entgegen, die unter Berücksichtigung der Verpflichtung, angemessene Vorkehrungen für Menschen mit Behinderung zu treffen, nicht dadurch gerechtfertigt ist, dass die betreffende Person für die Erfüllung der wesentlichen Funktionen ihres Arbeitsplatzes nicht kompetent, fähig oder verfügbar ist.

3. Krankheit als solche kann nicht als ein weiterer Grund neben denen angesehen werden, derentwegen Personen zu diskriminieren nach der Richtlinie 2000/78 verboten ist.

Die Pressemitteilung:

Urteil des Europäischen Gerichtshofes in der Rechtssache C-13/05:
Sonia Chacón Navas / Eurest Colectividades SA

Pressemitteilung des Europäischen Gerichtshofes Nr. 55/06 vom 11.07.2006

Er präzisiert die Modalitäten des Schutzes von Menschen mit Behinderung auf dem Gebiet der Kündigung

Die Klägerin arbeitete für die Beklagte, einen auf Verpflegungsdienste spezialisierten Betrieb. Sie war seit Oktober 2003 wegen einer Krankheit krankgeschrieben, die eine Wiederaufnahme ihrer Berufstätigkeit kurzfristig ausschloss. Im Mai 2004 teilte die Beklagte der Klägerin ihre Kündigung mit und bot ihr eine Entschädigung an.

Frau Chacón Navas erhob eine Klage gegen Eurest. Das spanische Gericht ist der Auffassung, dass Krankheit häufig zu einer irreversiblen Behinderung führen könne und die Arbeitnehmer deshalb rechtzeitig auf der Grundlage des Verbotes der Diskriminierung wegen einer Behinderung geschützt werden müssten. Es hat dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften daher Fragen zur Auslegung der Richtlinie zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf1 vorgelegt. Zweck dieser Richtlinie ist die Schaffung eines allgemeinen Rahmens zur Bekämpfung der Diskriminierung wegen der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung in Beschäftigung und Beruf im Hinblick auf die Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung in den Mitgliedstaaten.

Zunächst stellt der Gerichtshof fest, dass der durch die Richtlinie zur Bekämpfung der Diskriminierung wegen einer Behinderung geschaffene allgemeine Rahmen für Kündigungen gelte.

Da der Begriff „Behinderung" in der Richtlinie nicht definiert sei, die für die Bestimmung dieses Begriffes auch nicht auf das innerstaatliche Recht verweise, sei er autonom und einheitlich auszulegen. Der Begriff „Behinderung" im Sinne der Richtlinie sei so zu verstehen, dass er eine Einschränkung erfasse, die insbesondere auf physische, geistige oder psychische Beeinträchtigungen zurückzuführen sei und die ein Hindernis für die Teilhabe des Betreffenden am Berufsleben bilde.

Mit der Verwendung des Begriffes „Behinderung" in der Richtlinie habe der Gesetzgeber jedoch bewusst ein Wort gewählt, das sich von dem der „Krankheit" unterscheide. Daher ließen sich die beiden Begriffe nicht schlicht und einfach einander gleichsetzen.

Die Bedeutung, die der Gemeinschaftsgesetzgeber Maßnahmen zur Einrichtung des Arbeitsplatzes nach Maßgabe der Behinderung beigemessen habe, zeige, dass er an Fälle gedacht habe, in denen die Teilhabe am Berufsleben über einen langen Zeitraum eingeschränkt sei. Damit die Einschränkung unter den Begriff „Behinderung" falle, müsse daher wahrscheinlich sein, dass sie von langer Dauer sei.

Die Richtlinie enthalte keinen Hinweis darauf, dass Arbeitnehmer aufgrund des Verbotes der Diskriminierung wegen einer Behinderung in den Schutzbereich der Richtlinie fielen, sobald sich irgendeine Krankheit manifestiere.

Somit werde eine Person, der von ihrem Arbeitgeber ausschließlich wegen Krankheit gekündigt worden sei, nicht von dem durch die Richtlinie zur Bekämpfung der Diskriminierung wegen einer Behinderung geschaffenen allgemeinen Rahmen erfasst.

Zum Schutz von Menschen mit Behinderung auf dem Gebiet der Kündigung führt der Gerichtshof sodann aus, dass die Richtlinie der Entlassung wegen einer Behinderung entgegensteht, die unter Berücksichtigung der Verpflichtung, angemessene Vorkehrungen für Menschen mit Behinderung zu treffen, nicht dadurch gerechtfertigt ist, dass die betreffende Person für die Erfüllung der wesentlichen Funktionen ihres Arbeitsplatzes nicht kompetent, fähig oder verfügbar ist.

Schließlich vertritt der Gerichtshof die Auffassung, dass Krankheit als solche nicht als ein weiterer Grund neben denen angesehen werden kann, derentwegen Personen zu diskriminieren nach der Richtlinie verboten ist.

1 Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. L 303, S. 16).

Originaltext des Urteils:

Urteil des Europäischen Gerichtshofes in der Rechtssache C-13/05: Navas