Mindestruhezeiten für Arbeitnehmer

Arbeitgeber müssen durch nationale Regelungen dazu verpflichtet werden, für die Inanspruchnahme der Zeiten Sorge zu tragen
(C - 484/04 vom 07.09.2006, Kommission / Vereinigtes Königreich)

Der Fall:

Gemäß europäischem Recht müssen die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen treffen, damit jedem Arbeitnehmer tägliche und wöchentliche Mindestruhezeiten gewährt werden. Diesbezüglich hat das Britische Ministerium für Handel und Industrie einen Leitfaden veröffentlicht, nach dem die Arbeitgeber gewährleisten müssen, dass die Arbeitnehmer ihre Ruhezeiten in Anspruch nehmen können, die Arbeitgeber aber nicht verpflichtet sind, dafür zu sorgen, dass die Arbeitnehmer dies auch tun.

Laut Europäischem Gerichtshof kann der Leitfaden das Recht der Arbeitnehmer auf Mindestruhezeiten aushöhlen und steht mit dem Ziel der gemeinschaftlichen Rechtsnormen nicht im Einklang, nach denen die Einhaltung von Mindestruhezeiten zum Schutz der Sicherheit und der Gesundheit der Arbeitnehmer unbedingt erforderlich sind.

Das Urteil:

Das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland hat dadurch gegen seine Verpflichtungen aus den Artikeln 17 Absatz 1, 3 und 5 der Richtlinie 93/104/EG des Rates vom 23. November 1993 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung in der durch die Richtlinie 2000/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Juni 2000 geänderten Fassung verstoßen, dass es die in der genannten Bestimmung vorgesehene Abweichung auf Arbeitnehmer anwendet, deren Arbeitszeit teilweise nicht gemessen oder nicht im Voraus festgelegt wird oder von dem Arbeitnehmer selbst festgelegt werden kann, und nicht die erforderlichen Maßnahmen zur Umsetzung des Rechts der Arbeitnehmer auf tägliche und wöchentliche Ruhezeiten erlassen hat.

Die Pressemitteilung:

Urteil des Europäischen Gerichtshofes in der Rechtssache C-484/04: Kommission / Vereinigtes Königreich

Pressemitteilung des Europäischen Gerichtshofes Nr. 67/06

Der Britische Leitfaden über die Arbeitszeit verstößt gegen das Gemeinschaftsrecht.

Der Leitfaden kann das Recht der Arbeitnehmer auf tägliche und wöchentliche Ruhezeiten aushöhlen, da er die Arbeitgeber nicht verpflichtet, dafür zu sorgen, dass die Arbeitnehmer tatsächlich Mindestruhezeiten in Anspruch nehmen.

Nach der Arbeitszeitrichtlinie1 müssen die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen treffen, damit jedem Arbeitnehmer pro 24-Stunden -Zeitraum eine Mindestruhezeit von elf zusammenhängenden Stunden und pro Siebentageszeitraum eine kontinuierliche Mindestruhezeit von 24 Stunden zuzüglich der täglichen Ruhezeit von elf Stunden gewährt wird.

Die Richtlinie wurde im Vereinigten Königreich durch eine Verordnung umgesetzt (Working Time Regulations 1998 (WTR)). Das Ministerium für Handel und Industrie hat einen Leitfaden veröffentlicht, der das Verständnis der WTR erleichtern soll. Nach diesem Leitfaden „müssen die Arbeitgeber ... gewährleisten, dass die Arbeitnehmer ihre Ruhezeiten in Anspruch nehmen können, sie sind aber nicht verpflichtet, dafür zu sorgen, dass sie dies auch tun".

Die Kommission ist der Ansicht, dass dieser Leitfaden eine gegen die Verpflichtungen aus der Richtlinie verstoßende Praxis billigt und zu dieser verleitet und hat daher Klage vor dem Gerichtshof erhoben.

Der Gerichtshof weist zunächst darauf hin, dass mit der Richtlinie Mindestvorschriften festgelegt werden sollen, um durch Gewährung von Mindestruhezeiten die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer zu verbessern. Diese Grundsätze sind besonders wichtige Regeln des Sozialrechts der Gemeinschaft, die jedem Arbeitnehmer als ein zum Schutz seiner Sicherheit und seiner Gesundheit Mindestanspruch zugute kommen müssen.

Die praktische Wirksamkeit der den Arbeitnehmern verliehenen Rechte bringt für die Mitgliedstaaten zwangsläufig die Verpflichtung mit sich, die Einhaltung des Rechts auf tatsächliche Ruhepausen zu gewährleisten. Ein Mitgliedstaat, der darauf hinweist, dass der Arbeitgeber jedoch nicht gewährleisten muss, dass die Arbeitnehmer diese Rechte tatsächlich in Anspruch nehmen, stellt weder die Beachtung der Mindestvorschriften noch die des Hauptziels der Richtlinie sicher.

Der Leitfaden kann dadurch, dass er vorsieht, dass die Arbeitgeber den Arbeitnehmern lediglich die Möglichkeit geben müssen, die vorgesehenen Mindestruhezeiten in Anspruch zu nehmen, dass er sie jedoch nicht verpflichtet, dafür zu sorgen, dass diese Zeiten tatsächlich in Anspruch genommen werden, eindeutig die durch die Richtlinie verliehenen Rechte aushöhlen und steht mit dem Ziel dieser Richtlinie nicht in Einklang.

Der Gerichtshof kommt daher zu dem Ergebnis, dass das Vereinigte Königreich gegen seine Verpflichtungen aus der Arbeitzeitrichtlinie verstoßen hat._________________________________________________________________
1 Richtlinie 93/104/EG des Rates vom 23. November 1993 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (Abl. L 307, S. 18).

Originaltext des Urteils:

Urteil des Europäischen Gerichtshofes in der Rechtssache C-484/04:
Kommission der Europäischen Gemeinschaften / Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland