Bestimmungen zum Einreise- und Aufenthaltsrecht

Nationale Regelung, die die Erteilung eines Aufenthaltsdokuments unter Erhebung einer Gebühr vorsieht, unzulässig
(C-344/95 vom 20.02.1997, Kommission/ Königreich Belgien)

Der Fall:

Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften erhob am 30. Oktober 1995 Klage gegen das Königreich Belgien, da sie der Ansicht war, dass das Königreich Belgien dadurch gegen seine Verpflichtungen aus der durch den EG- Vertrag garantierten Freizügigkeit und aus der Richtlinie 68/360/EWG1 zur Aufhebung der Reise- und Aufenthaltsbeschränkungen für Arbeitnehmer der Mitgliedstaaten und ihrer Familienangehörigen innerhalb der Gemeinschaft verstoßen hatte, dass es Angehöriger anderer Mitgliedstaaten, die in Belgien Arbeit suchen, verpflichtete, das Hoheitsgebiet nach Ablauf von drei Monaten zu verlassen; Arbeitnehmern, die für mindestens ein Jahr eingestellt worden sind, während der ersten sechs Monate ihres Aufenthalts anstelle der Aufenthaltserlaubnis für Angehörige eines Mitgliedstaats nacheinander zwei Registrierungsbescheinigungen erteilte und für diese eine Gebühr erhob; und Arbeitnehmern und Saisonarbeitnehmern, deren Tätigkeit voraussichtlich drei Monate nicht überschreiten wird, ein Aufenthaltsdokument erteilte und hierfür eine Gebühr erhob.

Laut Europäischem Gerichtshof ist im Gemeinschaftsrecht nicht geregelt, wie lange sich Gemeinschaftsangehörige zur Stellensuche in einem Mitgliedstaat aufhalten dürfen, so dass die Mitgliedstaaten berechtigt sind, hierfür einen angemessenen Zeitraum festzulegen. Erbringe der Betroffene jedoch nach Ablauf dieses Zeitraums den Nachweis, dass er weiterhin und mit begründeter Aussicht auf Erfolg Arbeit suche, so dürfe er vom Aufnahmemitgliedstaat nicht ausgewiesen werden. Somit verletze die belgische Regelung das Gemeinschaftsrecht dadurch, dass sie arbeitssuchende Angehörige anderer Mitgliedstaaten verpflichte, das Hoheitsgebiet Belgiens automatisch nach Ablauf des festgelegten Zeitraums zu verlassen. Was die Registrierungsbescheinigung angeht, so stellt der Gerichtshof fest, dass das Verfahren der Registrierungsbescheinigungen so ausgestaltet sei, dass ein Gemeinschaftsangehöriger vor der Erteilung eines endgültigen Dokuments ein mehrstufiges Verwaltungsverfahren durchlaufen müsse und auf jeder Stufe eine Gebühr von ihm erhoben werde. Zwar übersteige jede Gebühr für sich betrachtet die Ausstellungsgebühr für Personalausweisen für Inländer nicht, doch sei der Gesamtbetrag höher als diese Gebühr, so dass ein Verstoß gegen die Richtlinie 68/360/EWG vorliege. Auch die Erhebung einer Gebühr für ein Aufenthaltsdokument für Saisonarbeiter stelle ein finanzielles Hindernis für die Arbeitnehmerfreizügigkeit dar, und stehe damit ebenfalls im Widerspruch zu den gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften.

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1 Siehe jetzt Richtlinie 2004/38/EG. (Mit Ablauf der Umsetzungsfrist der Richtlinie 2004/38/EG am 30. April 2006 ist die Richtlinie 64/221/EWG gegenstandslos geworden.)

Das Urteil:

Das Königreich Belgien hat dadurch gegen seine Verpflichtungen aus Artikel 48 EG-Vertrag1 und aus der Richtlinie 68/360/EWG des Rates vom 15. Oktober 1968 zur Aufhebung der Reise- und Aufenthaltsbeschränkungen für Arbeitnehmer der Mitgliedstaaten und ihre Familienangehörigen innerhalb der Gemeinschaft (ABl. L 257, S. 13) verstoßen, dass es

- Angehörige anderer Mitgliedstaaten, die in Belgien Arbeit suchen, verpflichtet, das Hoheitsgebiet nach Ablauf von drei Monaten zu verlassen,

- Arbeitnehmern, die für mindestens ein Jahr eingestellt worden sind, während der ersten sechs Monate ihres Aufenthalts anstelle der Aufenthaltserlaubnis für Angehörige eines Mitgliedstaats nacheinander zwei Registrierungsbescheinigungen erteilt und für diese eine Gebühr erhebt,

- Arbeitnehmern und Saisonarbeitnehmern, deren Tätigkeit voraussichtlich drei Monate nicht überschreiten wird, ein Aufenthaltsdokument erteilt und hierfür eine Gebühr erhebt.

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1 Jetzt Artikel 39 EG.

Originaltext des Urteils:

Urteil des Europäischen Gerichtshofes in der Rechtssache C-344/95: Kommission/ Königreich Belgien