Soziale Sicherheit Selbständiger, die in zwei Mitgliedstaaten erwerbstätig sind

Beiträge zur Sozialversicherung sind grds. nur in einem Staat abzuführen
(C-53/95 vom 15.2.1996, Kemmler)

Der Fall:

Herr Hans Kemmler besitzt die deutsche Staatsangehörigkeit und übte eine selbständige Tätigkeit als Rechtsanwalt in Frankfurt und Brüssel aus. Er hatte seinen Wohnsitz stets in Deutschland, wo er dem System der sozialen Sicherheit für Selbständige unterlag, wohnte während eines Teils des streitigen Zeitraums aber auch in Flobecq (Belgien). Nach Ansicht des Institut national d` assurances sociales pour travailleurs indépendants (im Folgenden: Inasti) unterlag Herr Kemmler bis zum 30. Juni 1982, dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Verordnung (EWG) Nr. 1390/81, der belgischen Sozialversicherung. Da nämlich zwischen Belgien und der Bundesrepublik Deutschland kein bilaterales Sozialversicherungsabkommen bestanden habe, sei Herr Kemmler aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit in Belgien nach belgischem Recht beitragspflichtig gewesen. Das Inasti verlangte daher von Herrn Kemmler Zahlung von Beiträgen für das Jahr 1981 und die ersten beiden Quartale 1982. Herr Kemmler lehnte die Zahlung dieser Beiträge jedoch u. a. mit der Begründung ab, er sei der deutschen Sozialversicherung für Selbständige angeschlossen gewesen und ein Anschluss an die belgische Sozialversicherung hätte ihm keinen zusätzlichen sozialen Schutz geboten.

Laut Europäischem Gerichtshof behindert die Regelung eines Mitgliedstaats, nach der Personen, die bereits eine selbständige Tätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat ausüben, dort wohnen und einem System der sozialen Sicherheit angeschlossen sind, Beiträge an die Sozialversicherung für Selbständige entrichten müssen, die Ausübung einer Erwerbstätigkeit außerhalb dieses Mitgliedstaats. Diese die Niederlassungsfreiheit beeinträchtigende Regelung könne allenfalls dann gerechtfertigt sein, wenn sie dem Betroffenen einen zusätzlichen sozialen Schutz bietet. Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall.

Das Urteil:

Artikel 52 EG-Vertrag1 verwehrt es einem Mitgliedstaat, Personen, die bereits eine selbständige Tätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat ausüben, dort wohnen und einem System der sozialen Sicherheit angeschlossen sind, zur Entrichtung von Beiträgen zur Sozialversicherung für Selbständige zu verpflichten, obwohl diese Beitragspflicht für sie nicht zu einem zusätzlichen sozialen Schutz führt.
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1 Jetzt Artikel 43 EG.

Originaltext des Urteils:

Urteil des Europäischen Gerichtshofes in der Rechtssache C-53/95: Kemmler