Überbrückungsgeld aufgrund einer Betriebsvereinbarung

Männer und Frauen können dabei unterschiedlich behandelt werden
(C-19/02 vom 09.12.2004, Hlozek)

Der Fall:

Die Gesellschaft, für die Herr Dr. Hlozek seit dem 1. Januar 1982 tätig war, wurde zum 1. Juli 1998 mit Roche Austria Gesellschaft mbH (im Folgenden: Roche) verschmolzen. Zum Zweck dieser Verschmelzung und um die negativen Folgen der geplanten Maßnahme zur Umstrukturierung des Unternehmens für die Arbeitnehmer zu mildern, wurde zwischen dem Arbeitgeber und dem Betriebsrat der Sozialplan vom 26. Februar 1998 geschlossen. Herr Dr. Hlozek wurde zum 30. Juni 1999 entlassen, weil seine Abteilung aufgrund der Umstrukturierung geschlossen wurde. Da er zum Zeitpunkt der Beendigung seines Dienstverhältnisses mit Roche 54 Jahre alt war, fiel er unter Punkt 7 und nicht unter Punkt 8 des Sozialplans. Er nahm die freiwillige Abfertigung an, die ihm nach Punkt 7 des Sozialplans gezahlt wurde. Wäre Herr Dr. Hlozek weiblichen Geschlechts, so wäre auf ihn Punkt 8 des Sozialplans anwendbar gewesen. In diesem Fall wäre ihm eine freiwillige Abfertigung ausbezahlt worden, die geringer gewesen wäre als die, die er erhalten hat. Er wäre jedoch nach den Bestimmungen über die Gewährung eines Überbrückungsgeldes behandelt worden. Da Herr Dr. Hlozek hiernach der Auffassung war, er sei aufgrund seines Geschlechts diskriminiert worden, erhob er Klage auf Feststellung, dass er gegenüber Roche Anspruch auf Zahlung eines Überbrückungsgeldes im Sinne des Sozialplans vom 26. Februar 1998 habe. Zur Begründung seiner Ansprüche machte Herr Dr. Hlozek im Wesentlichen geltend, dass die Regelung des Überbrückungsgeldes in Punkt 8 des Sozialplans im Hinblick auf das unterschiedliche Antrittsalter für Männer (Vollendung des 55. Lebensjahres) und Frauen (Vollendung des 50. Lebensjahres) sowohl nach nationalem als auch nach dem Gemeinschaftsrecht sittenwidrig und nichtig sei. Das frühere Antrittsalter habe auch für Männer zu gelten, und da er zum Zeitpunkt der Kündigung 54 Jahre alt gewesen sei, habe er Anspruch auf das Überbrückungsgeld.

Laut Europäischem Gerichtshof sehen die Bestimmungen des Sozialplans eine unmittelbar am Geschlecht orientierte Ungleichbehandlung der Arbeitnehmer vor, weil diese Bestimmungen das Alter, von dem an ein Anspruch auf das Überbrückungsgeld besteht, für Männer auf 55 Jahre und für Frauen auf 50 Jahre festlegen. Da jedoch zu dem Zeitpunkt, als der Sozialplan vereinbart wurde, Frauen nach Vollendung des 55. Lebensjahres einen Anspruch auf vorzeitige Alterspension geltend machen konnten, während Männer dies erst ab Vollendung des 60. Lebensjahres möglich war, sei es zur Gewährleistung der Gleichbehandlung aller Arbeitnehmer erforderlich gewesen, dass Arbeitnehmerinnen fünf Jahre früher als ihre männlichen Kollegen in den Genuss des Überbrückungsgeldes kommen könnten. Diese Bestimmung ziele weder auf eine nach dem Gemeinschaftsrecht unzulässige Diskriminierung der männlichen Arbeitnehmer des Unternehmens ab, noch hatte sie eine solche zur Folge.

Das Urteil:

Ein Überbrückungsgeld wie das im Ausgangsverfahren in Rede stehende fällt unter den Begriff „Entgelt" im Sinne von Artikel 141 EG und Artikel 1 der Richtlinie 75/117/EWG des Rates vom 10. Februar 1975 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen. Unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens stehen diese Vorschriften der Anwendung eines Sozialplans nicht entgegen, der eine Ungleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Alters vorsieht, von dem an ein Anspruch auf Überbrückungsgeld besteht, weil sich Männer und Frauen nach dem nationalen gesetzlichen System der vorzeitigen Alterspension hinsichtlich der für die Gewährung dieser Pension maßgeblichen Elemente in unterschiedlichen Situationen befinden.

Orginaltext des Urteils:

Urteil des Europäischen Gerichtshofes in der Rechtssache C-19/02: Hlozek