Entlassung einer transsexuellen Person

Richtlinie 76/207/EWG steht einer Entlassung aus mit der Geschlechtsumwandlung zusammenhängenden Gründen entgegen
(C-13/94 vom 30.04.1996, P.)

Der Fall:

P. war als Geschäftsführer in einer englischen Bildungseinrichtung tätig, die zur maßgeblichen Zeit vom Cornwall County Council, der örtlich zuständigen Verwaltungsbehörde, betrieben wurde. Ein Jahr nach seiner Einstellung, Anfang April 1992, teilte P. dem Ausbildungsleiter und für Verwaltungs- und Finanzangelegenheiten der betreffenden Einrichtung zuständigen Direktor, S., seine Absicht mit, sich einem Verfahren der Geschlechtsumwandlung zu unterziehen. Dieses Verfahren begann mit einem „life-test" genannten Zeitraum, in dem sich P. wie eine Frau kleidete und benahm; im Anschluss daran erfolgten chirurgische Eingriffe, die P. die körperlichen Merkmale einer Frau verleihen sollten.
Nachdem sich P. einer chirurgischen Behandlung durch kleinere Eingriffe unterzogen hatte, erhielt er Anfang September 1992 eine fristgemäße Kündigung zum 31. Dezember 1992. Der abschließende Eingriff erfolgte vor Wirksamwerden der Kündigung, aber nach ihrer Zustellung.
Als Kündigungsgrund gab S. Personalüberhang an. Es stellte sich jedoch heraus, dass der wahre Grund für die Entlassung das Vorhaben von P. war, das Geschlecht zu wechseln.

Laut Europäischem Gerichtshof wird eine Person, die allein deshalb entlassen wird, weil sie beabsichtigt, sich einer Geschlechtsumwandlung zu unterziehen, oder sich ihr bereits unterzogen hat, im Vergleich zu den Angehörigen des Geschlechts, dem sie vor dieser Operation zugerechnet wurde, schlechter behandelt. Dies ist mit dem Recht, nicht aufgrund des Geschlechts diskriminiert zu werden, eines der Grundrechte des Menschen, unvereinbar.

Das Urteil:

Artikel 5 Absatz 1 der Richtlinie 76/207/EWG des Rates vom 9. Februar 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in bezug auf die Arbeitsbedingungen steht im Hinblick auf das mit dieser Richtlinie verfolgte Ziel der Entlassung einer transsexuellen Person aus einem mit der Umwandlung ihres Geschlechts zusammenhängenden Grund entgegen.

Originaltext des Urteils:

Urteil des Europäischen Gerichtshofes in der Rechtssache C-13/94: P.