Teilweises Arbeiten im Wohn- und im Beschäftigungsmitgliedstaat für ein Unternehmen

Ist diese Situation nicht auf zwölf Monate beschränkt, unterliegt der Arbeitnehmer den Rechtsvorschriften des Wohnstaates
(C-425/93 vom 16.02.1995, Firma Calle)

Der Fall:

Die Calle Gerenzshop Andresen GmbH & Co. Kg (nachstehend: Firma Calle) betreibt in Deutschland in der Nähe der deutsch-dänischen Grenze ein Unternehmen, dessen Gegenstand der Einzelhandel mit Lebensmitteln, Spirituosen und Geschenkartikeln ist. Sie beschäftigt nahezu ausschließlich dänische Arbeitnehmer, die in Dänemark ihren Wohnsitz haben, darunter Herr Wandahl, der für die Firma Calle seit 1979 zunächst als Verkäufer und seit 1981 als Marktleiter tätig ist. Weder Herr Wandahl noch die anderen dänischen Arbeitnehmer wurden von der Firma Calle bei der deutschen Sozialversicherung angemeldet. Mit Bescheid vom Dezember 1987 forderte die Allgemeine Ortskrankenkasse für den Kreis Schleswig-Flensburg (nachstehend: AOK) von der Firma Calle Sozialversicherungsbeiträge für Herrn Wandahl in Höhe von 74 627,23 DM für die Zeit von April 1982 bis August 1987. Die Firma Calle legte gegen diesen Beitragsbescheid Widerspruch ein und machte geltend, dass Herr Wandahl in dieser Zeit auch in Dänemark im Umfang von etwa 10 Stunden pro Woche für Rechnung des Unternehmens tätig gewesen sei und dass er folglich nach Artikel 14 Absatz 2 Buchstabe b Ziffer i der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 ausschließlich den dänischen Rechtsvorschriften unterlegen habe.

Laut Europäischem Gerichtshof fällt die Situation eines Arbeitnehmers, der in einem Mitgliedstaat wohnt und ausschließlich von einem Unternehmen mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat beschäftigt wird und der im Rahmen dieses Arbeitsverhältnisses einen Teil seiner Tätigkeit regelmäßig im Umfang von mehreren Stunden pro Woche während eines Zeitraums, der nicht auf zwölf Monate beschränkt ist, in dem erstgenannten Mitgliedstaat ausübt, unter Artikel 14 Absatz 2 Buchstabe b Ziffer i der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71, so dass der Betroffene den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats unterliegt, in dessen Gebiet er wohnt. Somit kann die AOK für den streitigen Zeitraum von der Firma Calle keine Sozialversicherungsbeiträge für Herrn Wandahl fordern.

Das Urteil:

1. Die Situation eines dänischen Arbeitnehmers, der in Dänemark wohnt und ausschließlich von einem Unternehmen mit Sitz in Deutschland beschäftigt wird und der im Rahmen dieses Arbeitsverhältnisses einen Teil seiner Tätigkeit regelmäßig im Umfang von mehreren Stunden pro Woche während eines Zeitraums, der nicht auf zwölf Monate beschränkt ist, in Dänemark ausübt, fällt unter Artikel 14 Absatz 2 Buchstabe b Ziffer i der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern.

2. Der Begriff "Tätigkeit" im Sinne von Artikel 14 Absatz 2 Buchstabe b Ziffer i der Verordnung Nr. 1408/71 schließt den Begriff "im Lohn- oder Gehaltsverhältnis beschäftigt" ein.

Originaltext des Urteils:

Urteil des Europäischen Gerichtshofes in der Rechtssache C-425/93: Calle