Ausübung des Architektenberufs in den Mitgliedstaaten bei anerkanntem Befähigungsnachweis

Wanderarchitekten müssen Zugang zu allen Tätigkeiten haben, die der Aufnahmemitgliedstaat dem Beruf zuordnet
(C-421/98 vom 23.11.2000, Kommission/Spanien)

Der Fall:

1998 erhob die Kommission der Europäischen Gemeinschaft Klage gegen das Königreich Spanien, weil nach einer spanischen Regelung die Inhaber eines von einem anderen Mitgliedstaat als dem Königreich Spanien ausgestellten und dort anerkannten Befähigungsnachweises für Architektur in Spanien, wenn die übernommenen Aufgaben im Entwurf von Bauplänen oder der Wahrnehmung der fakultativen Bauleitung bestanden, keine anderen als die Tätigkeiten ausüben durften, die sie entsprechend dem in ihrem Heimat- oder Herkunftsmitgliedstaat ausgestellten Befähigungsnachweis dort auszuüben befugt waren. Nach dieser Bestimmung konnten die Inhaber eines von einem anderen Mitgliedstaat als dem Königreich Spanien ausgestellten Befähigungsnachweises für Architektur ihre Aufgaben somit nicht auf dem gleichen Tätigkeitsgebiet ausüben wie Inhaber eines in Spanien erworbenen Befähigungsnachweises.

Der Europäische Gerichtshof verwies darauf, dass durch die gegenseitige Anerkennung der Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise für Tätigkeiten auf dem Gebiet der Architektur die tatsächliche Ausübung des Niederlassungsrechts und des Rechts auf freien Dienstleistungsverkehr auf diesem Gebiet erleichtert werden soll. Auch wenn es Sache der innerstaatlichen Gesetzgebung des Aufnahmemitgliedstaats ist, das Tätigkeitsgebiet des Architektenberufs zu definieren, so verlangt das Gebot der gegenseitigen Anerkennung doch, dass auch Wanderarchitekten Zugang zu einer Tätigkeit haben, wenn ein Mitgliedstaat sie diesem Gebiet zuordnet.
Ein Wanderarchitekt muss also auch dann zur Aufnahme einer Tätigkeit berechtigt sein, die üblicherweise von einem Architekten mit einem Aufnahmemitgliedstaat ausgestellten Befähigungsnachweis ausgeübt wird, wenn sein Diplom, Prüfungszeugnis oder sonstiger Befähigungsnachweis in Bezug auf die Ausbildung materiell nicht ohne weiteres gleichwertig ist.

Das Urteil:

Das Königreich Spanien hat dadurch gegen seine Verpflichtungen aus den Artikeln 2 und 10 der Richtlinie 85/384/EWG des Rates vom 10. Juni 1985 für die gegenseitige Anerkennung der Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise für Architektur und für Maßnahmen zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des Niederlassungsrechts und des Rechts auf freien Dienstleistungsverkehr verstoßen, dass es in Artikel 10 Absatz 2 des Real Decreto 1081/1989 vom 28. August 1989 festgelegt hat, dass die Inhaber eines in einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Befähigungsnachweises für Architektur, der im Rahmen der Richtlinie 85/384 anerkannt worden ist, in Spanien keine anderen Tätigkeiten als die ausüben dürfen, die sie entsprechend dem in ihrem Herkunftsland ausgestellten Befähigungsnachweis dort ausüben dürften, es sei denn, dass sie mit einem anderen Berufsangehörigen zusammenarbeiten, der zur Ausübung dieser Tätigkeiten befähigt ist und einen nach den spanischen Rechtsvorschriften anerkannten Befähigungsnachweis besitzt.

Originaltext des Urteils:

Urteil des Europäischen Gerichtshofes in der Rechtssache C-421/98: Kommission/Spanien