Sachleistungen bei Krankheit für Familienangehörige von Wanderarbeitnehmern im Wohnstaat

Die Voraussetzungen für die Anspruchsentstehung richten sich grundsätzlich nach den Rechtsvorschriften des Beschäftigungsstaates
(C-451/93 vom 08.06.1995, Delavant)

Der Fall:

Die französische Staatsangehörige Claudine Delavant war als Arbeitnehmerin in Frankreich (Metz) beschäftigt und als solche Mitglied der Primärkasse für Krankenversicherung von Metz. Sie war mit einem Deutschen verheiratet, mit dem sie zwei minderjährige Töchter hatte. Die Familie wohnte in Deutschland (Saarbrücken). Die Allgemeine Ortskrankenkasse für das Saarland (im folgenden: AOK) lehnte die Übernahme der Kosten für die stationäre Behandlung eines der Kinder von Frau Delavant unter Hinweis auf deutsches Recht wegen der Höhe des Einkommens ihres Ehemannes ab. Dagegen machte Frau Delavant geltend, dass ihre Kinder nach europäischem Recht Sachleistungen für Rechnung des französischen Versicherungsträgers von der AOK verlange könnte, ohne dass innerstaatliches deutsches Recht eine Einschränkung im Hinblick auf die Höhe des Einkommens der Eltern vornehmen dürfe. Im übrigen erstatte der französische Versicherungsträger seit Jahren die Aufwendungen für in Deutschland gewährte Leistungen, ohne sich für das Einkommen ihres Ehemanns zu interessieren.

Vor dem Europäischem Gerichtshof bekam Frau Delavant Recht. Grundsätzlich unterliegen die Familienangehörigen eines Arbeitnehmers nämlich hinsichtlich der Voraussetzungen für die Entstehung eines Sachleistungsanspruchs bei Krankheit allein den Rechtsvorschriften des Staates, in dem der Arbeitnehmer beschäftigt ist.
Etwas anderes gilt nur, wenn die Familienangehörigen aufgrund der Rechtsvorschriften des Wohnstaates einen Anspruch auf diese Leistungen haben.

Das Urteil:

Artikel 19 Absatz 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in der durch die Verordnung (EWG) Nr. 2001/83 des Rates vom 2. Juni 1983 kodifizierten Fassung ist dahin auszulegen, dass sich, wenn ein Arbeitnehmer mit seinen Familienangehörigen im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats als des Mitgliedstaats wohnt, in dem er beschäftigt und nach dessen Rechtsvorschriften er gemäß der Verordnung versichert ist, die Voraussetzungen für die Entstehung eines Sachleistungsanspruchs bei Krankheit zugunsten der Familienangehörigen dieses Arbeitnehmers ebenfalls nach den Rechtsvorschriften des Staates richten, in dem der Arbeitnehmer beschäftigt ist, sofern die Familienangehörigen nicht aufgrund der Rechtsvorschriften des Staates, in dem sie wohnen, Anspruch auf diese Leistungen haben.

Originaltext des Urteils:

Urteil des Europäischen Gerichtshofes in der Rechtssache C-451/93: Delavant